Mit dem Fahrrad nach Hastings

Vor kurzem waren wir nach Hastings unterwegs.

Unsere Radtour führte uns zunächst eine unserer Hauptstraßen entlang nach Osten, nach Caulfield. Auf dem Weg fanden wir eine russische griechisch-katholische Kirche. St.Nikolaus. Diese Gemeinde geht, wie deren Webseite verkündet,  auf byzantinische Traditionen zurück. Ich kenne mich mit Kirchengeschichte zu wenig aus, um das richtig einordnen zu können. Diese Russische Griechisch-Katholische Kirche scheint ihren Ursprung im 19.Jahrhundert zu haben, Russisch-Orhodox in Liturgie, aber die Gemeinschaft mit Rom suchend. Ums für mich verwirrender zu machen, gibt es eine Gedenktafel in für mich unlesbaren Hebräisch mit Porträt eines weißbärtigen Mannes und Jahreszahlen wie 1941-44, 1951 und 1995. Der Grundstein für das Kirchgebäude  wurde 1887 gelegt.

Die Gegend, in der wir wohnen, ist von Osteuropäern geprägt, die zu Zeiten um den 2.Weltkrieg herum hierher geflüchtet sind. Es gibt auch viele Juden hier. Am Samstag sind sie traditionell gekleidet zu sehen, es ist Sabbat. An diesem Tag haben auch jüdische Geschäfte geschlossen.

Von Caulfield nahmen wir den Zug entlang der Küste nach Frankston. In den letzten Jahren wurden viele Schranken beseitigt, die Schienen und die Bahnhöfe sind nun entweder unter der Erde oder über der Straße, dann mit Blick auf die Bucht. Carrum ist Qs Favorit.

Von Frankston radelten wir dann nach Hastings zum Western Port. Das ist die nächste Bucht weiter östlich. Sie heißt Western Port, da es der westlichste Punkt einer Seereise eines Schiffes aus Sydney in der Anfangszeit der europäischen Besiedlung war.

Die meiste Zeit konnten wir auf separaten Radwegen entlang Bahnlinie und Landstraße fahren, es waren aber auch ein paar Kilometer direkt auf der Straße dabei. Das ist weniger schön, wir haben es aber überstanden.

Wir fanden am Wegesrand reichlich Brombeeren. Es wuchs auch viel Weißdorn am Straßenrand. Sie sind eingeschleppt und neben einheimischen Pflanzen Platz weg, leider. Die Brombeeren waren schön süß, besser, als was wir in der Kaufhalle oder auf dem Markt finden. Das kann ich auch über das Gemüse aus dem Garten sagen.

Bei Somerville machten wir Rast. Es war Mittagszeit. Die Kneipe war frisch renoviert. Wir teilten uns eine Lammkeule und angebratenen Schweinebauch mit Apfelmus und Kartoffelmus. Zur Abwechslung mal ein „westliches“ Essen. Wir hatten gerade chinesisches Neujahrsfest, da gab es ein paar Gerichte aus Qs Heimat, zum Teil mit Besuch geteilt.

Somervilles größter Arbeitgeber ist eine Geflügelfarm, oder besser Geflügelfabrik, Ingham’s, eine der größten in Australien.

Weiter radelten wir unserem Ziel, Hastings entgegen. Dort gibt es ein größeres Schilfgebiet, ein hölzener Steg führt uns hindurch. Auch stehen Mangroven im flachen Wasser. Die Bucht ist Zuhause für Pelikane. Wir haben unerwarteterweise eine frühere Kollegin von Q getroffen, die dort ihren Hund spazieren führte. Wir hatten sie einmal zu Silvester bei uns, das ist vielleicht zehn Jahre her. Wir haben uns vorgenommen, sie öfter mal wieder
zu treffen.

Viel Zeit hatten wir in Hastings nicht, da der Zug nach Frankston nicht sehr häufig fährt. Wir wollten nicht zwei Stunden warten.

Hastings und seine Umgebung ist übrigens die Heimat von Inspektor Challis, der Hauptfigur einer Reihe von Romanen von Garry Disher, die auch ins Deutsche übersetzt wurden.

Sommer – das Wetter, das Haus, das Land, das Wasser und wir

Wir haben hier tatsächlich wieder Sommer, und das heißt manchmal: Ganz heiß – und dann kühlt es sich wieder ab.,

In der Regel ist der Sommer eine Zickzackkurve. Das liegt an Melbournes Position.

Wenn wir am Ozean stehen, gucken wir auf das Meer, dessen Wellen aus der Antarktis herüberschwappen, während sich hinter uns ein sonnenverbrannter roter Erdteil, Australien, dreitausend Kilometer weit nach Norden erstreckt. Australien hat übrigens in etwa die Größe Chinas. Nur das hier nicht mehr als eine Milliarde Menschen wohnen, sonder nur ca. 25 Millionen, ein Bruchteil dessen. Was vor allem daran liegt, dass es hier wesentlich weniger Wasser gibt, keine der großen Flüsse, wie sie in China z.B. aus den Bergen im Inneren des Landes ins Meer im Osten strömen.

Für zumeist knapp eine Woche kommt der Wind aus nördlichen Richtungen, oft nordwestlich, und bringt uns Hitze, die sich langsam aufstaut. An Tagen wie gestern erreicht es ca. 40 Grad.

Was nachts manchmal ein wenig problematisch sein kann, wenn man ohne Kühlung lebt. In unserem “neuen” Haus, das wir vor ein paar Monaten bezogen haben, gibt es eine interessante erprobte Kühlung, evaporative cooling, Verdunstungskühlung. Bei der fließt etwas Wasser über “Kühlungskissen”, zumeist aus Holz oder Zellulose, und verdunstet. Ein Ventilator bläst die Luft hindurch, die sich so um bis zu 15 Grad abkühlt. Unsere Kühlung ist ein großer Kasten auf dem Dach. Die Luft wird nach unten geblasen und kommt durch vergitterte Schlitze nahe des Bodens aus der Wand. Das ist um einiges wirkungsvoller als diese weißen “aircons”, Raumkühlungen, die man oft findet und die kalte Luft direkt von einer Seitenwand, oben angebracht,  in den Raum blasen.

Allerdings haben wir diese Kühlung bis jetzt sehr selten benutzt. Zum einen sind wir weitaus mehr als andere draußen unter freiem Himmel unterwegs, radelnd, laufend, im Garten etc. Wir finden schon 26 Grad kühl, wenn es draußen über 30 Grad sind. Ich bin z.B. auf Arbeit von Einwanderern aus subtropischen Gegenden umgeben, die ständig zuhause mit Kühlung lebten und draußen mit dem Auto und Klimaanlage unterwegs sind. Diese regeln die Klimaanlagen oft auf arktische Temperaturen herunter.

Das Verständnis für die physikalischen Grundlagen und Dingen wie Regelungstechnik ist bei vielen sehr begrenzt. Dass man bei Hitze der Klimaanlage nicht 16 Grad als Ziel vorgibt, um 22 Grad zu erreichen, wird oft nicht verstanden. Es reicht 22 Grad anzugeben, die Kühlung erreicht diese 22 Grad genauso schnell und hält diese Temperatur bei einer regelnden Anlage. Auch sehe ich immer wieder Menschen, die Rollos auf der Südseite zuziehen, von wo die Sonne nie hereinscheint. Zur Erinnerung: Wir leben auf der südlichen Halbkugel, die Sonne steht zu Mittag im Norden.

Unser Haus hat im Osten ein doppelstöckiges Haus mit mehreren Wohnungen als Nachbarn. Daher fehlt unserem Einstöcker die Morgensonne. Daher ist es morgens recht kühl. Wenn es eh nicht sehr warm wird, fühlt es sich hier wie ein Eispalast an. Positiv ist anzumerken, dass es eben auch an heißen Tagen etwas kühler als anderswo ist.

Melbourne liegt nicht direkt am Ozean, sondern an der Port Phillip Bay, die ziemlich kreisförmig rund 70km im Durchmesser groß ist. Wenn die Spirit of Tasmania durch die Bucht aufs Meer zu der großen Insel im Süden fährt, in etwas mehr als 10 Stunden, dauert es etwa 1,5 Stunden bis sie durch die schmale, nur etwas mehr als  2km breite Öffnung den Südlichen Ozean erreicht. Zum Vergleich: Wer von Rostock nach Gedser, nach Dänemark, unterwegs ist, bewältigt mit der Fähre die Entfernung von 40km  in fast 2 Stunden.

Gesten war es, wie gesagt, ein heißer Tag. Die niedrigste Temperatur zu Sonnenaufgang war fast 25 Grad. Ich ging vor dem Frühstück hinunter zum Strand und tauchte in das erfrischende ruhige Wasser der Bucht hinein. Wenn kein Wind ist, ist die See flach wie ein Spiegel. Gestern morgen war kaum Wind. Auch zu Mittag nahm ich mein Rad und war nach zehn Minuten wieder am Wasser. Blauer Himmel, blaues Meer – was will man mehr?

Am Nachmittag nach drei konnte ich das Spektakel des “cool change”, des Wechsels ins Kalte, anschauen.  Ich habe aus dem dritten Stock einen Panoramablick über die kleinen Häuschen South Melbournes bis auf die Wolkenkratzer der Innenstadt. Wo eben noch blauer Himmel ab und an ein weißes Wölkchen war, türmten sich jetzt graue Wolken. Der Südwind hatte gewonnen. Nach Tagen der ansteigenden Hitze blies es nun kühl aus den antarktischen Gewässern in die Stadt hinein. Von 40 Grad ging es blitzschnell auf weniger aks 20 Grad herunter. Als ich gegen sieben nach Hause fuhr, fröstelte ich auf dem Rad ein wenig in meinem kurzärmligen Sommerhemd.

Jetzt wird es ein paar, oft fünf oder sechs Tage, dauern, in denen es sich langsam wieder erwärmt, bis zum nächsten cool change. Der Sommer ist ein auf und ab, bis es sich zum goldenen Herbst beruhigt. Die Aborigines nennen den Herbst die Zeit, in der der Regen und der Wind aufgehört haben.

Zur Zeit genieße ich aber noch ein wenig Sommer. Dessen Wechselhaftigkeit und insbesondere der cool change fasziniert mich immer wieder. Ich merke, dass ich an der Wasserkante gelandet bin, die Kälte und Hitze, einen roten Kontinent und eine kalte See, an dessen anderem Ende ein schneeweißer Kontinent liegt, voneinander trennt.

Traurige Nachricht

Ende letzten Jahres erreichte mich hier in Australien die traurige Nachricht, dass mein Vater gestorben ist. Am 4.März 1937 geboren, verstarb er am 28.Dezember 2022.

Dies ist mein Foto von meinem letzten Ausflug letztes Jahr mit meinem Vater Karl-Friedrich Roß, zu einem Mittagessen in der Rostocker Trotzenburg.

Es sind nun 45 Tage ohne ihn, und mir fallen immer wieder Dinge ein, die ich mit ihm teilen möchte. Von Jazzplatten über Nachrichten vom Handball, Neues aus Rostock, ob er denn auch dieses oder jenes Fußballspiel geguckt hat, Erinnerungen zu Musik oder etwas vom Hafen, dass die Spirit of Tasmania umgezogen ist, dass unser Sohn ein Praktikum angefangen hat, Sommer am Strand und Brombeeren pflücken…

Er fehlt mir sehr. Von seiner Frau, meiner Mutter, und uns Geschwistern, seinen Kindern angefangen, sicher noch einigen Menschen mehr.

2022 – Die Rolle rückwärts – Folge 1: Zuhause

Hallo allerseits, hier die erste Folge meines Rückblicks auf das Jahr 2022. Ich fange mal von hinten an.

Wie schon erwähnt, blieb uns ein Umzug nicht erspart, welcher besonders ungelegen kam, da ich für drei Monate in Deutschland weilte.

Unser altes Zuhause war für die neuen Eigentümer offensichtlich renovierungsbedürftig, wie ich im Vorbeiradeln in den letzten Tagen feststellte.

Unser neues Zuhause bedurfte auch einiger Aufmerksamkeit.

Glücklicherweise hatte ich Hilfe -eine neugierige Katze, die gern nachschaut, was so in den Kisten und Schubladen ist.

Zunächst mussten wir ab und an den Vermieter um Handwerker bitten. Es war ein Eispalast, da es noch nicht Sommer geworden war und ich mich, aus dem überall gut beheizten Deutschland kommend, noch nicht an die zugigen Häuschen Melbournes wieder gewöhnt hatte. Nicht nur La Nina, das Wetterphänomen im südlichen Pazifik, welches der Ostküste Australiens einen kühlen und nassen Frühling bescherte, hat zum frostigen Binnenklima des Hauses beigetragen. Auch Fenster, die nicht schließen und andere Problemchen trugen dazu bei. Die Dusche leckte, unter der Küchenspüle auch, und wir hatten öfter Besuch zum Basteln. Inzwischen haben wir fast alles geregelt, scheint mir. Wir haben den Geschirrspüler zum Funktionieren gebracht, die Heizung geht und die Kühlung auch.

Die brauchen wir nun auch. Ein spannendes Prinzip: Es werden im Dach Tücher angefeuchtet. Ein Ventilator drückt dann so angefeuchtete und gekühlte Luft nach unten. Das ist ziemlich effektiv, habe ich mir sagen lassen. Wie auch immer: Es geht!

Im Laufe der letzten zwei Monate hat sich langsam das Gefühl von zuhause eingestellt. Wir haben Möbel verrückt, Gardinen aufgehängt, Kisten ausgepackt und mehr.

Dank halbtransparenter Gardinen in Pastellfarben und einer traditionellen  hölzernen Sitzgruppe aus der Heimatstadt von Q, aus Zhongshan, hat das Wohnzimmer ein “japanisches Flair”, wie meine Frau meint.

Einen Garten haben wir auch, und dank Nachbarschaftshilfe von John aus Port Melbourne sind die Pflanzentöpfe ebenfalls “nach Hause” gekommen.

 

Wahlhelfer

Letzte Woche habe ich zweimal Wahlhelfer bei der Landeswahl für die Grünen gespielt. Dazu habe ich wie ein grüner Wiggle im T-Shirt vor dem Wahllokal gestanden und “how to vote” – Wie zu wählen  – Karten verteilt. Die anderen Wiggles trugen rote T-Shirts – Labor, blau – Liberals, lila – Tierschutzpartei oder orange – Georgie, eine unabhängige Kandidatin, die auf dem South Melbourne Market einen Kartoffelstand betreibt.

(Hier die Wiggles, eine australische Band, die KInder unterhält und so knallbunte Shirts trägt wie wir als Wahlhelfer – Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wiggles_on_stage_2022.jpg , Autor: MontereyJim)

Wir brauchen hier diese “Wahlhilfen”, da das System ziemlich kompliziert ist. Wer 50% der Stimmen bekommt, hat den Wahlkreis gewonnen und seinen lokalen Kandidaten ins Parlament geschickt. Das schafft selten jemand mit der Erststimme. Daher gibt es Präferenzen. Man sagt also, wen man statt seines Kandidaten als nächstbesten wählen würde. Wenn der bevorzugte Kandidat Letzter, also draußen ist, gehen die Stimmen an den nächstbesten. Man muss alle Kandidaten durchnummerieren, vom ersten bis zum letzten.

Bei uns ist das Rennen – wie fast überall – eines zwischen Labor und Liberalen. Hier, wie öfter in der Innenstadt von Melbourne, haben auch die Grünen eine Chance. Letztes Mal gingen die meisten Stimmen an den liberalen Kandidaten, aber da die Grünen Dritte wurden, gingen ihre Präferenzen an den Laborkandidaten, der so den liberalen überholte und die Wahl gewann.

Martin Foley von der Labor Party, den Sozialdemokraten Australiens, war für lange Zeit, wohl für zwanzig Jahre, der lokale Abgeordnete aus meinem Wahlkreis. Ich kenne ihn auch als Vater von Kindern an der Schule, in die auch meine Kinder gingen. Unter anderem habe ich mit ihm bei einer Quizrunde am Tisch gesessen – ein netter Abend-  und auch so ab und an mit ihm geredet. Er genießt großes persönliches Ansehen, denke ich. Während der Pandemie wurde er Victorias Gesundheitsminister. Das war sicher nicht einfach. Vielleicht hat das dazu beigetragen, daß er nicht wieder antritt.

Das Rennen ist recht offen. Nächsten Samstag ist Wahltag. Da, wo wir diese Woche standen, kommen Leute, die früher wählen wollen. Wir alle, rot oder blau, grün oder lila, standen am Eingang Spalier. Der Platz ist ein Hochhaus direkt neben einer Baustelle, gegenüber auf der anderen Seite der Albert Road ist es grün, Palmen und dahinter, etwas weiter, der See im Albert Park, um den herum jedes Jahr im März der Formel-1-Grand-Prix stattfindet. Wo wir stehen kommt die Sonne leider nicht hin. Am Donnerstag war es richtig kalt, der Wind fegte mal wieder aus der Antarktis rüber, das war nicht schön. Auch kamen nicht viele zum Wählen. Am Samstag stand ich fünf Stunden dort, und das Wetter war gnädig. Erst ein wenig grau, erwarteten alle Regen, der aber nicht kam. Stattdessen klarte es etwas auf und der Himmel wurde blau. war auch nicht mehr ganz so kalt wie zwei Tage zuvor.

Egal, welche Farbe wir trugen: Es werden Kekse geteilt, wenn der Wind ein Schild umschmeißt, stellt der nächste es wieder auf, und Gespräche sind freundlich. Wenn es – was bei politisch interessierten Wahlhelfern unvermeidlich ist – um  Politik geht, bricht man ab, wenn’s zu kontrovers werden sollte. Rot und Blau beschmeißen sich in ihrer Wahlwerbung gegenseitig mit Lehm (die sollten sich was schäm’ ;-), bei uns am Wahllokal ging es trotzdem friedlich und kollegial zu. Das freut mich.

Reisepanorama – Bahnreise

Während mich das neue Zuhause in Bewegung hält, schau ich mir noch einmal meine Notizen von meiner Europareise an. Hier, was nach Frankfurt kam – eine Bahnreise.

Kostenlose Bahnreise: Mit Erinnerung an Melbourne

Meine Recherche, wie ich von Frankfurt nach Rostock reisen könnte, gab mir zwei Ideen: Mit zwei ICEs, Schnellzügen, in 7 Stunden, für 139 Euro, oder mit 5 Regionalzügen in 12 Stunden umsonst.

Kurz nach meiner Ankunft in Australien nahm ich die S-Bahn zur Arbeit. Der Zug war ziemlich voll. Seltsamerweise hielt der Zug nicht dort, wo ich aussteigen wollte. Ich bin wie viele andere nächste Station raus, über die Brücke zur Gegenseite und eine Station zurückgefahren. Ich fragte einen Mitreisenden, ob das geplant war. Nein, der Fahrer hätte wohl einfach vergessen anzuhalten, entgegnete er. Ich hörte keinen einzigen sich beschweren.

Ich dachte, ich bin im Himmel angekommen.

Magic doesn’t happen. Shit does (T-Shirt-Spruch)

Mal schauen, wie das in Deutschland geht.

Wissenswertes aus Bebra

Können diese Augen lügen, singt der Schlager. In der Stadtschänke wird geraucht. Das geht, weil es hier nichts zu essen gibt. Frank beschwert sich über den Kaffee für Herzkranke, der ihm gestern eingeschenkt wurde. So schwach! Seine Alte macht seit 35 Jahren einen vollen Wasserkocher heiß, auch wenn sie nur eine Tasse trinkt, und den Süßstoff und die Milch zuerst in die Tasse, so dass es sich nicht auflöst. Die rafft das nicht. Wahrscheinlich war sie nur im Basteln und Religion gut in der Schule. Dann ist Frank still. Ulli kommt hinein und liest seine Zeitung. Günter ist gestürzt, hat wohl getrunken und hat geschwankt. Nun liegt er im Krankenhaus. Das die Kasse das noch bezahlt. Letztes Mal hat die Wirtin ein Taxi bestellt, gekriegt hat er auch nichts mehr. Aber gehen wollte er trotzdem nicht. Wenn der was getrunken hat, ist er stur.

Halt in Göttingen

Nach Bebra geht es in einen Zug, der für eine halbe Stunde in Göttingen hält, bevor er weiterfährt.

Eine afghanische Familie mit mehreren Kindern, etwa viere, ist unschlüssig. Mit dem Deutsch scheint es zu hapern, eine vielleicht Vierzehnjährige fragt mich, wie es weitergeht. Ja, sie kann einfach im Zug bleiben, der fährt bald weiter, beruhige ich sie.

Sie sind unterwegs nach Hannover, um Verwandte zu besuchen, Offensichtlich ist das Neun-Euro-Ticket für sie ein Segen. Ich glaube kaum, daß sie sich sonst so eine Fahrt hätten leisten können.

Bismarckhering und Demo in Hannover

In Hannover habe ich fast ein Jahr gearbeitet, aber das ist schon lange her. Ich gehe hinaus und sehe den Georg auf’m Pferd und Geschäfte links und rechts. Vor einem Platz ist Schluß: Auf dem Platz gibt es eine mäßig besuchte Demo. Es geht um die Gefahr des politischen Islams in Deutschland, die größte Gefahr für das Land. Sagt der Sprecher mit dem Mikrofon. Der muß es ja wissen, ich lebe nicht hier. Vom Islam habe ich schon gehört, was genau “politischer Islam” ist?

So genau will ich das gar nicht wissen, ich mache mich auf die Suche nach einem Essen und finde ein Fischrestaurant.

Eine einsam aussehende ältere Frau bestellt sich ein Glas Leitungswasser zum Fisch, ich hätte das auch tun sollen. In Melbourne gibt es ein Glas Wasser selbstverständlich hingestellt. Ich vermisse das ein wenig. Ich bestelle Matjes, aber der ist aus. Bismarckhering ist auch okay.

Danach gehe ich noch schnell auf Toilette. In Deutschland mußte ich öfters dafür bezahlen. Ich fand es schon bei früheren Besuchen lästig, besonders, wenn man das auch noch passend haben sollte, und man erst einmal Kleingeld wechseln gehen muß. Es gibt Schöneres als die Erledigung dringender Bedürfnisse so zu verzögern.

In der Gaststätte habe ich das Problem nicht, und so kann ich mich entspannt auf den Weg zum Zug machen.

Jetzt kommt Hamburg

.. aber nicht so schnell. Vor Harburg ist erst einmal Pause. Wie wir hören, ist vor uns ein ICE steckengeblieben und blockiert ein Gleis.

Der Zug ist gut gefüllt, einige müssen stehen. Ich sitze auf meinem Koffer und schaue so nach oben zu meinen Mitreisenden. Einige machen lustige Bemerkungen. Navh einer Dreiviertelstunde fand ich, das ich vom Sarkasmus genug habe. Glücklicherweise ruckelt und zuckelt der Zug nun zum Bahnhof.

Der Anschlußzug ist weg. Der IC, der danach fährt, kostet jedes Mal, wenn ich drauf gucke, mehr. Herr Mehdorn, der von einer Fluglinie zur Bahn wechselte, hatte vor zwanzig Jahren die glorreiche Idee, das Chaos und die Willkürlichkeit der Flugpreise auf die Bahn zu übertragen. Zum Dank durfte er später noch bei dem Berliner Flughafendisaster mitmischen. Es ist doch schön, wenn man ganz oben vollstänidig versagen kann, ohne das es der Bezahlung und der Karriere schadet. Diese Tadition wird uns wohl noch eine Weile erhalten bleiben. Ich hörte gerade dieser Tage in downunder von Bonuszahlungen an CEOs, deren Unternehmen eine Bauchlandung hinlegen.

Der nächste Regionalzug fährt zwei Stunden später, Zeit, um sich zu einem afghanischen Restaurant zu begeben und ein schmackhaftes Mahl einzunehmen. Die Anzahl alkoholischer Getränke hinter der Bar ist doch beachtlich. Ich beschließe aber nüchtern zu bleiben. Wer weiß, was sonst mit mir passiert, wenn der politische Islam zuschlägt?

Ein Zug wartet nicht, heißt es. Zeit, zurück zum Bahnhof zu laufen, die letzte Teilstrecke nach Rostock zurückzulegen. Gefühlte 47 000 Hansa-Garffiti und -Aufklber weiter sehe ich meine alte Heimatstadt wieder, und schließlich meine Eltern. Nach vier Jahren Covid abwarten kam es auf die zwei Stunden später auch nicht an.

Diese Reise hatte ein Happy End.

Ein Argument gegen hohe Hürden, um Beihilfe vom Staat zu bekommen

Unter meinen Bekannten gibt es einige, die der Meinung sind, wenn jemand Beihilfe vom Staat benötigt, sollte es ihm/ihr so schwer wie möglich gemacht werden, diese zu bekommen. Dadurch werden sie davon abgeschreckt, sie zu beziehen und besorgen sich schneller eine Arbeit.

Mir sind kürzlich zwei Fälle begegnet, bei denen es das Gegenteil bewirkt.

Ihnen war Teilzeitarbeit angeboten worden, die ihnen jeden Monat fast 1000 Dollar Einkommen eingebracht hätte.

Beide wollten diese Arbeit nur unter der Hand in bar, was für den Arbeitgeber nicht machbar war. So blieben sie ohne diese Arbeit und werden wahrscheinlich irgendwo gegen Bargeld Kellnern gehen, statt ihr Berufswissen einzusetzen.

Der Hauptgrund waren die Komplikationen, die es bei dem Bezug der Beihilfe geben würde, auch, wenn der Job irgendwann wegfällt. Die Hauptsorge waren zu erwartende Verzögerungen bei der Änderung und die Angst, so die bewilligten Beihilfen zu verlieren, ganz oder zeitweise,

Wenn die Bearbeitung der Anträge beim Arbeitsamt einfach wäre, wären sie jetzt wieder zeitweise im Beruf tätig. So verharren sie in einem Leben mit Beihilfe.

Ungeplanter Umzug ohne Beteiligung meiner Person (soweit)

Ich hatte beschlossen, für drei Monate nach Deutschland zu fliegen. Es waren vier Jahre vergangen, seitdem ich Familie und Freunde und Europa besucht hatte.

Der Termin ließ sich am 1. Oktober festmachen, an dem Tag, an dem sich meine Mitstreiter(innen) aus der Studienzeit treffen wollten. Ich plante und buchte, annehmend, daß mr Covid nicht weiter in die Quere kommen würde. Das klappte dann ja auch, und als ich in Deutschland war, erzählte mir meine Frau, daß sie sich entschlossen hatte, auch zu kommen, sie hatte auch gebucht.

Soweit, so gut.

Dann platzte die Bombe: Unsere Vermieterin will das Haus, in dem wir wohnen, verkaufen. Wir müssen raus.

In Deuitschland ist das auch nicht prickelnd, aber, so sagte mir mein Bruder, hätte man zwei Jahre, wenn der Vermieter auf Eigenbedarf klagt.

Bei uns downunder ist kein Klagen notwendig, ohne Angabe von Gründen kann gekündigt werden. Wir hatten 60 Tage. Das heißt, eine Woche nach Ankunft meiner Frau und bevor ich wieder aus Europa zurückkommen würde, mußten wir raus.

Also fingen wir zu Rotieren an und suchten nach Häusern, die uns genug gefallen würden, groß genug sind und presiswert erschwinglich. In Port Melbourne fast aussichtslos, aber wir wurden in St.Kilda East fündig. Der Umzug fand eine Woche vor dem Abflug meiner Frau statt. Ein Umzugsdienst wurde angeheuert, meine Familie – ohne mich – packte alles in Kisten und dann ging es zum neuen Haus. Ich sprach mit meiner Tochter, da ich doch einige Bücher aussortieren wollte, das war es dann auch von meiner Seite, neben ein wenig Internet organisieren.

Heimflug

Heute bin ich aus Deutschland wieder zurückgekommen.

Der Heimreise war mehr oder minder ohne weitere Vorkommnisse. Von meiner Schwester und Schwager Abschied genommen, am leerstehenden Bahnhof von Suhl, fuhr der Zug mit geringer Verspätung nach Würzburg, wo ich umstieg, bis nach Frankfurt am Main. In der Ebene am Main war es neblig.

Die S-Bahn zum Flughafen hatte ihre Probleme, ich hörte etwas von einer Person auf den Gleisen, doch gab es einen Regionalzug, der mich zum Airport brachte.

Dort das übliche Sicherheitstheater, danach befanden wir uns in einem Niemandsland, in dem es nicht genügend Stühle gab. Ich lag auf einem Spielplatz und hörte mal ausnahmsweise keine Musik, daher stattdessen Kindergeplapper, leise Gespräche reisender Paare in allerlei Sprachen, letzte Telefonate, bevor es in das Flugzeug ging. Es entspannte mich.

Ich versuchte, meine Flugzeit zum Schlafen zu nutzen, dazu, mich zeitzonenmäßig nach Melbourne zu versetzen. Daß ich dies nun am ersten Abend downunder schreibe, ist ein dezenter Hinweis: So ganz hat das nicht geklappt.

In Dubai ging ich ins Hard Rock Cafe zum Frühstück, da es dort ordentlichen Kaffee in Tassen gab. Die Musik dort war auch zumeist älter, aber immerhin zumindest rockig. Ich sah Videos von den Cranberries, Zombie, und von Wolfsmother, einer Band aus Australien. Es gab aber auch ihre Landsleute aus der älteren Generation, AC/DC, und deren Zeitgenossen.

Insgesamt, mit Glas und Aufzügen und Fontänen, wirkt Dubai modern und ist für den Reisenden angenehm. Meine Ankunft in Melbourne.. naja. Es gibt Schöneres, als sich mit hunderten Passagieren an den Wänden entlang zu schlängeln, bevor ich dann in die Wildbahn entlassen wurde.

Mit Skybus und Straßenbahn fuhr ich zu meinem noch unbekannten Zuhause in St.Kilda East, unweit der Carlisle Street und der Balaclava Station für S-Bahnen an der Sandringham Line. An der Straßenbahn wurde ich auch von meiner Frau in Empfang genommen. Dann ging es nach Hause.. und das ist eine Geschichte für sich.

Kopenhagen

We all live in a yellow submarine.. okay, nicht ganz. Wir leben in weißen Pods, die sich in einem alten Lagerhaus aneinander reihen. Eine Tür links, eine Tür rechts. Einer bekommt die obere Hälfte des Pods, einer die untere. Ein kleiner Eingangsbereich hinter der Tür, um das Gepäck unterzubringen, die Klamotten aufzuhängen und sich anzuziehen. Dann geht es entweder nach oben oder unten, Platz für eine Matratze. Man hat einen Meter Höhe, denn unter oder über einem schläft jemand anders. So ungefähr, wie bei unserem Dachzelt, welches wir uns vor einiger Zeit gekauft haben. Dies ist aber Zelten in der Halle, nicht draussen. Das Licht kommt von abgedeckten LEDs an der Decke, die sanft ihre Farbe ändern. Wenn das Licht aus ist und es Morgen wird, hat man keine Ahnung, wie spät es ist. Kein natürliches Licht stört hier beim Schlaf. Im Pod hängen Morgenmäntel. Wenn alle darin zum Bad gehen, habe ich das Gefühl, einer Sekte anzugehören, in der alle Mönche das Gleiche tragen.

Das ist der City Hub von Kopenhagen. Draussen eine belebte Straße. Belebt von vielen vielen Kneipen, in oder vor denen Dänen dem gemeinsamen Biertrinken nachgehen. Zum Essen gibt es auch genug, vom Kebabimbiss über den Inder bis zum vietnambeeinflussten Fusion-Restaurant der gehobenen Preisklasse. Fahrräder sausen auf dem autospurbreiten abgetrennten Radweg vorbei, einfache Alltagsräder, Lasträder, Kinder im Anhänger, zumeist allein muskelkraftbetrieben, von Frau und Mann aller Altersklassen.

Wir frühstücken in einer Bäckerei, die neben allerlei Gebackenem auch Kaffee anbietet, der aus einer echten Espressomaschine kommt, die von einer echten Barrista bedient wird. Der Pappbecher ist ein Wermutstropfen. Sonst wäre es perfekt gewesen. Aber auch so: neun von zehn Punkten.

Meine Frau hat das Lousiana Museum für Zeitgenössische Kunst ausfindig gemacht. Ich lasse mich willig entführen. Die Fahrt mit einem Vorortzug nach Helsingor führt hinaus in den Norden, durch grüne Laubwäldchen mit gelegentlichem Blick aufs blaue Meer. Das Wetter ist gnädig, der Himmel ebenfalls blau. Im Zug wird vorallem deutsch geredet. Viele verlassen den Zug und machen sich auf den Weg durch ein kleines Örtchen. Im Museum angekommen, mache ich mich nach dem Zahlen auf dem Weg nach draußen. Mit Blick zum Meer steht da eine Skulptur, die ich als Kulturbanause mit “Sieht aus wie Henry Moore” begrüße. Es ist Henry Moore, der Kandidat bekommt 100 Punkte. Die Verbindung des Museums mit grüner Gartenlandschaft und Skulpturen finde ich gelungen.

Die Dauerausstellung zeigt zunächst Yves Klein. Ich muss an ein Gespräch mit einem Ausstellungsorganisator in Frankfurt denken, der über den Kontrast zwischen dem sozialistischen Realismus, der mich in meiner Jugend umgab, und abstrakter Kunst, die u.a. auch in der Altbundesrepublik beliebt war, sprach. Vielleicht kommt mein Unverständnis für monochrome Vierecke daher. Catherine Opie fotografierte Elizabeth Taylors Zuhause, kurz bevor die berühmte Schauspielerin starb. Für mich sag es wie ein riesiges Museum aus, an vielerlei Kapitel und Menschen aus ihrem nicht gerade erlebnisarmen Leben erinnernd. Dann war da noch Andy Warhol, Marylin Monroe und Campbell-Dosen.

Mir gefielen noch ein paar andere Werke, wie Pop von Sharah Hughes oder Der Daumen von Cesar Baldaccini. Letzterer vorallem als Fotoobjekt 🙂

Im Kellergeschoss war eine Ausstellung über Forensic Architecture zu sehen. Es zeigt in Videos, Tafeln und mehr, wie Menschenrechtler mit Hilfe moderner Forensik fragwürdige Ereignisse begutachten, um offizielle Berichte von Polizei und anderen unter die Lupe zu nehmen, um die Wahrheit zu finden.

Bis ins nächste Jahr zeigt das Museum Werke von Alex da Corte. Pop Art knallbunt, mit Bezugspunkten zu Musikern wie Beyoncé oder Eminem, Filmen wie der Zauberer von Oz und mehr.

Es war definitiv genug, um uns zu unterhalten und Eindrücke zu erhaschen, die uns lange erhalten bleiben.

Wir wanderten durch Kopenhagen. Mir fiel irgendwann auf, daß ich – im Gegensatz zu Frankfurt und Melbourne – keine Obdachlosen sah. Wie ich recherchierte, gibt es tatsächlich weniger als in Deutschland – mehr als 2,5 mal so viele, auf die Einwohnerzahl aufgerechnet, gibt es dort – und in Australien – 4 mal so viele. Die meisten dänischen Obdachlosen haben mentale Probleme oder sind drogen- oder alkoholsüchtig. In Australien lebt allein ein Viertel auf der Straße, die Opfer von häuslicher Gewalt geworden sind.

Am Abend versuchen wir uns in einem “Cafe”, welches eigentlich auch eine Kneipe ist, nur dass man auch einige Gerichte und offene Sandwiches, garnierte Brotstullen bekommen kann. Ein Bier ein Bestellfehler: Ich bekomme ein belgisches mit Glykosesyrup. Es gibt Gründe für das deutsche Reinheitsgebot. Bier und Gericht mag nicht unbedingt meine erste Wahl sein, die Umgebung, viele junge und alte Menschen in Gesprächen vertieft, gleicht das aus.

Ein schöner Tag!