Neues um das Park Hotel – Djokovic, Flüchtlinge und Impfgegner

Wenn man mit der Straßenbahn oder dem Fahrrad aus der Innenstadt Richtung Norden fährt (Autos sind in dem Abschnitt der Swanston Street in der Innenstadt nicht erlaubt), vom Fluß und der Flinders Street Station weg, erreicht man einen der sogenannten “Inner Suburbs”, Carlton. Auf der linken Seite ist ein kleiner Platz, der in den letzten nun bald zwei Jahren öfter Schauplatz zumeist kleinerer Kundgebungen war. Ab und an wird in die Richtung eines ziemlich quadratisch-praktisch aussehenden Gebäudes gewunken, und hinter getönten Scheiben kann man Lichter zurückwinken sehen.

Es “beherbergt” seit ca. zwei Jahren Flüchtlinge, und derzeit auch einen der besten Tennisspieler der Welt, Novak Djokovic.

Letzterer wurde, wie viele wissen werden, nach Landung in Melbourne von den Grenzbehörden in den Gewahrsam genommen, um mit dem nächsten Flugzeug zurückgeschickt zu werden. Grund ist seine fehlende Impfung gegen den Corona-Virus, ohne die man gewöhnlicherweise nicht nach Australien einreisen kann, er behauptet, eine gültige Ausnahmegenehmigung zu haben. Derzeit streiten sich Djokovic und seine Anwälte mit den australischen Behörden, um seine Abschiebung zu verhindern.

Im Jahre 2019 haben unabhängige Parlamentarier (die weder der regierenden rechtsgerichteten Koalition von Liberals und Nationals noch der “großen” Oppositionspartei, der sozialdemokratischen Labor Party angehören), eine gegen den Willen der Regierung verabschiedete Gesetzgebung angestoßen, die es möglich machte, Flüchtlinge, die für Jahre auf Nauru oder Manus Island festsaßen, nach Australien zu bringen, um sie hier behandeln zu lassen. Einige Monate später gelang es der Regierung, dieses Gesetz zu widerrufen.

Im Hotel leben derzeit mehr als 30 anerkannte Flüchtlinge, die nach dieser “Medevac”-Gesetzgebung nach Australien kamen. Zumeist aus dem Irak und Afghanistan stammend, könnn sie nicht in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden. Die australische Bundesregierung verweigert ihnen aber auch die Einwanderung nach Australien. Sie leben seit neun Jahren eingesperrt, ohne zu wissen, was mit ihnen in der Zukunft passieren wird. Federführend in dieser “Nichtprozedur” waren und sind Scott Morrison, zunächst als Einwanderungsminister und nun als Ministerpräsident, und Peter Dutton, der, als er Verteidigungsminister wurde,  sein Amt an Karen Andrews abgab, die heute für den Grenzschutz zuständig ist.

Vor dem Hotel versammeln sich regelmässig kleinere Gruppen, um gegen diese brutale Nichtbehandlung von Flüchtlingen zu protestieren. Um die Flüchtlinge mundtot und unsichtbar zu machen, wurden ihre Fenster zugeschraubt und die Scheiben getönt. Daher sieht man nur das Licht ihrer Mobiltelefone, wenn sie zurückwinken.

In den letzten Tagen bekamen diese Protestierenden Gesellschaft. So sah ich am Freitagabend vielleicht 50 Serben, Landsleute von Djokovic, für den sie sich einsetzen, die, teilweise in Trachten und mit Nationalfahnen ausgekleidet,  vor dem Hotel sangen und tanzten.

Darunter waren zumindest einige, die auch mit Djokovic’ Widerstand gegen Impfungen sympathisieren. Die “Großmütter für Flüchtlinge”, die sich natürlich die Möglichkeit, auf das Schicksal der Flüchtlinge hinzuweisen, wenn Fernsehteams, wie z.B. das BBC-Frühstücksfernsehen,  nicht entgehen lassen wollen, waren ihnen gar nicht recht. Einige Serben wollten sich mit diesen maskentragenden älteren Frauen anlegen. Diese blieben ruhig, und im Laufe des Abends haben einige Serben etwas über die Flüchtlinge hinzugelernt.

Am Ende sangen die Serben “Happy Birthday” für Mehdi, einen iranischen Flüchtling, der im Hotel seinen zweiten Geburtstag verlebte, wenn man das als Leben bezeichen kann. Er erreichte Australien als 15jähriger. Seine in Gefangenschaft verbrachten Geburtstage, bis jetzt: 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24.

Am Samstagmorgen war es vor dem Hotel ruhig, nur die Bundespolizei war da. Ob er sich um die Fluchtlinge kümmere, fragte ich einen der Polizisten. “Ja, das ist mein Job”, antwortete er. Es klang nicht enthusiastisch, ein wenig entschuldigend.

Am Nachmittag war eine andere kleinere Gruppe, vielleicht zwanzig, vor dem Hotel: Eureka-Flaggen schwenkende Impfgegner. Ich fragte einen etwa 20jährigen, ob er sich für die Freiheit für die Flüchtlinge einsetze. “Nein, ich bin für Novak [Djokovic] hier.”.

“Der ist Millionär, und kann sich sicher um sich selbst kümmern – vielleicht doch für die Flüchtlinge?”, fragte ich ihn.

“Nein, über die Flüchtlinge weiß ich nicht Bescheid”. “Bist Du Australier?” “Ja. Und wo kommt dein Akzent her?” “Aus Deutschland.” “Ach, da leben die Flüchtlinge doch alle in Ghettos jetzt.”

ich drückte meine Verwunderung aus, daß er über die Flüchtlinge in Deutschland so gut Bescheid weiß, aber nichts über die vor seiner Nase.

Inzwischen kamen zwei etwas ältere recht massive Männer hinzu. “Du kannst jetzt gehen.” Es klang drohend. “Freiheit” ist denn doch relativ. Das heißt noch lange nicht, daß man was sagen darf, was diese “Freiheitskämpfer” nicht mögen.

 

2022 zum Ersten: Besuch in Cranbournes Botanischen Garten

.. der auch der Australian Garden genannt wird, da er sich, anders als der botanische Garten in der Innenstadt, den in Australien wachsenden Pflanzen widmet.

Nachdem man den Eingang passiert hat, steht man vor einer großen dekorierten Fläche voller roten Sands. Diese Fläche, die während des Rundgangs immer wieder in den Hintergrund rückt, symbolisiert das Innere des australischen Kontinents, das Red Centre, Rote Zentrum. Es ist ein spektakulärer Anblick, wenn auch nicht ganz unstrittig, da er nicht unbedingt typisch für Melbourne und seine Umgebung ist. Entworfen im Jahre 1996 bei Landschaftsarchitekt Paul Thompson und T.C.L., füllt diese Fläche und der Garten eine frühere Sandgrube, auf einem Gelände, welches lange Zeit von der Armee benutzt wurde. Vor der Kolonialisierung waren hier die Boon wurrung zuhause, einer der lokalen Stämme der Kulin Nation, die das Land um die Port Phillip Bay besiedelten.

Der Garten beherbergt eine Handvoll verschiedener Landschaften. Da ist z.B. der trockene Fluß, der der Besucherin, dem Besucher den delikaten Charakter vieler australischer Regionen vor Augen führen soll, die nicht selbstverständliche Anwesenheit von Wasser. Wer jemals im Landesinnere unterwegs war, weiß, daß viele Flußbecken lange Zeit kein Wasser führen, oft bleibt nur etwas in kleinen Teichen, den billabongs, übrig, oder es verschwindet ganz unter der trockenen Erde, bis ein Regenguß frisches Naß bringt.

Dazu im Gegensatz ist im Garten auch eine “Wasserlandschaft” zu sehen.

Wir leben übrigens im zweiten La Nina-Sommer, was ungewöhnlich ist. Dieser Sommer ist selten richtig heiß, auch wenn wir zu Silvester ca. 40 Grad hatten. Inzwischen kam der “cool change” und wir sind wieder bei etwas mehr als 20 Grad angelangt. Das perfekte Wetter für einen Gartenspaziergang.

Es gibt im Garten auch einen Grass Tree Walk, einen mit Grasbäumen bestandenen Pfad, der mich an einen Zweitagemarsch südlich von Perth erinnerte. Als Tourist im Jahre 1997 habe ich mich dort von einem Bus “aussetzen” lassen und bin durch diese Grass Trees gewandert. Es hatte kurz vorher gebrannt, und aus den angekohlten “Bäumen” schossen Samenstangen hervor, vielleicht halbmeterlang, großen Mikrofonen gleichend. Einige Pflanzenarten benutzen oder gar benötigen diese Waldbrände, um sich zu vermehren, da der mit Asche bedeckte Boden die beste Nahrung für frisches Wachstum sind.

Viele Eukalypthen, hier “gum trees” genannt, wachsen besonders nach großen Feuern. So z.B. die Mountain Ashes, die unweit Melbournes in den Dandenong Ranges und anderen bergigen Regionen zu finden sind. Oft verbergen sich unter der Rinde Knospen, aus denen nach den Bränden neues Grün entspringt. Diese Rinde ist oft besonders dick, um die Knospen vor dem Feuer zu schützen. Oft ist sie auch sehr hell und glänzend, um soviel Wärme wie möglich zu reflektieren.

Im Botanischen Garten ist eine Tafel Ferdinand von Müller gewidmet, einem in Rostock geborenen und nach Australien ausgewanderten Botaniker. 1825 in Rostock geboren, wanderte er mit zwei Schwestern 1847 nach Australien aus, da eine der Schwestern gesundheitliche Probleme hatte und der Arzt ihr wärmeres Klima vorschlug. 1853 wurde er vom Governeur Charles La Trobe zum ersten “Regierungsbotaniker” des Staates Victoria ernannt. Später wurde er Direktor des Botanischen Gartens.

Er bemerkte, daß Eukalyphten oft Insekten vertrieben. Ich erinnere mich, daß ich auf Sardinien von der Anpflanzung von Eukalyphtusbäumen nahe an Wasserwegen gehört habe, um Malaria zu beseitigen. Die Tafel im Garten verweist auf solche Anpflanzungen zur Malariabekämpfung unweit Roms hin und erwähnt, daß von Müller dafür vom Papst die Ritterschaft verliehen bekam.

Auf dem Spaziergang durch den Garten fiel mir nicht nur die Vielfalt der Pflanzen auf, sondern auch die der Besucher(innen). Ich hörte chinesisch, indisch, rumänisch und afrikanische Sprachen.

Soviel für heute. Viel Spaß beim Lesen, und bis zum nächsten Mal!

12 Monate in 12 Tagen – Tag 11: Ein Urlaubstag zuhause

Meine Füße brennen. Ein klares Zeichen von Sommer, und daß ich die Füße nicht eingecremt habe, bevor ich mit meiner Frau ins Kayak stieg. Die Sonnencreme war sicher im Auto, während wir uns für Stunden auf dem Fluß vergnügten.

Begonnen hatte der Tag mit dem Einschalten des Radios und Patti Smith zu hören, “Under The Southern Cross”. Was natürlich nicht der schlechteste Start in den Tag ist. Es folgte ein Song von ihrem ersten Album, und schließlich “Dancing Barefoot”. Drei Titel einer Sängerin hintereinander, das verhieß nun nichts Gutes. Patti Smith hat heute ihren 75.Geburtstag. ich hatte befürchtet, daß die Moderatorin etwas anders verkündigt. Gott sei Dank nicht, und Herzlichen Glückwunsch!

Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg nach Burnley, wo der Yarra, der “Melbourner Fluß”, an einem Park vorbeifließt und einen gehörigen Knick macht. Wir fanden ein Bootshaus, an dem wir unser Kayak ins Wasser lassen konnten, und auf ging es, drei Stunden stromaufwärts. Wir ließen es gemächlich angehen, es war ein Tag mit mehr als dreißig Grad und wir bewegten uns oft im Schatten. Es ist schon toll, durch eine Stadt zu paddeln und dabei fast zu vergessen, daß man nur ein paar Kilometer vom Stadtzentrum enfernt ist. Ich kenne den Weg am Fluß entlang und bin ihn öfter geradelt. Vom Wasser, vom Boot aus, ist es aber noch viel idyllischer. Ab und an kommt eine Brücke, darüber fährt ein Freeway oder eine Straße mit Straßennbahn oder ein Zug, und die Carlton-Brauerei summt arbeiten vor sich hin und riecht ähnlich, wie ich es aus meiner Zeit nahe der Rostocker Brauerei in Erinnerung habe.  An den Ufern von Richmond baut die Welt teure Appartmenthäuser, ab und an ist ein älteres Anwesen mit privater Anlegestelle, es gibt auch Abschnitte, an denen man keine Häuser sieht. Bäume und Unterholz und Wurzelwerk und Enten und Vogelrufe.

Da wir auf dem Wasser waren, wurden wir nicht so gegrillt, wie es ein Tag, der es wohl auf 34 Grad brachte, vermuten läßt. Trotzdem, nach drei Stunden stromaufwärts kehrten wir um, und trudelten in nur zwei Stunden gemütlich zum Ausgangspunkt zurück, packten ein und fuhren nach Hause. Danach waren wir erst einmal erledigt. Urlaub kann hart sein!

So machte sich die Familie auf ein Weg in ein uns vertrautes indisches Restaurant in Port Melbourne, ließen uns bekochen und bedienen und genossen es. Wir sind ja mmer noch auf Weltreise, in 80 Gaststätten um die Welt.

Soweit ein First World Day. Mir brennen die Füße, die letzte Stunde des Tages hat begonnen, und ich schicke dies jetzt ab. Morgen geht es auf die Zielgerade und ich berichte noch ein wenig von unseren harten Tagen in der Ersten Welt.

Good night and good luck!

 

12 Monate in 12 Tagen – Tag 10: Wie war das noch?

Alles hat ein Ende, wie es so schön heißt, und so auch unsere Lockdowns. An einem Freitagmorgen traf ich mich mit einem Freund zum Radeln, und wir endeten in der Ackland Street von St.Kilda, um einen Kaffee in einer ordentlichen Tasse und ein Stück Kuchen im Sitzen vor dem Cafe zu trinken und zu essen. Was schon ein wenig unwirklich wirkte.

In zwei Jahren Covid sind so manche Selbstverständlichkeiten merkwürdig geworden. Manches mache ich auch heute weniger, ich verzichte auf dieses oder jenes, es gab aber auch einige Dinge, die ich noch nie so richtig mochte. “Takeaways” zum Beispiel, gekochtes Essen aus dem Restaurant, oder Kaffee im Becher. Zum einen möchte ich ein Gaststättenessen oder einen Kaffee in einem Cafe oder einer Gaststätte konsumieren, das Lokal, die Leute ringsherum und das ganze “Brimborium” um Teller, Tassen und Besteck gehören dazu. Zum anderen finde ich es traurig, wenn mein Essen oder Trinken soviel Abfall produziert. Das mache ich nur in Ausnahmefällen.

Gestern fuhr ich mit meiner Familie, und habe meinen Sohn mit einer Box bei KFC “versorgt”. Das war mein erstes Drivethrough in meinem Leben.  Regeln sind dazu da, ab und an ignoriert zu werden, sonst werden sie zur Religion 😉

Nach dem Lockdown konnte man wieder mehr Freunde und Bekannte treffen. Manche habe ich kaum wieder erkannt..

Okay, das war Halloween-Dekoration. Ja, auch hier schleichen sich amerikanische Sitten ein. So lange es bei Halloween bleibt, na gut, meinetwegen.

Gestern habe ich mal wieder ein Loch in einer Hose gefunden. Ich habe dann noch eine andere gefunden, aber langsam wird es knapp.  Ich bin über zwei Jahre auch kaum einkaufen gegangen. Ich muß das jetzt nachholen, um das Bruttosozialprodukt wieder anzukurbeln. Ich bin wirklich ein schlechter Staatsbürger.

12 Monate in 12 Tagen – Tag 9: Warum in der Ferne schweifen

.. Sieh das Gute liegt so nah”, heißt es bei Goethe. Enstsprechend den lokalen Bedingungen habe ich, haben wir, versucht, aus dem Alltag und unserer Umgebung das Beste zu machen.

Eingequetscht zwischen zwei Lockdowns haben wir uns ein Wochenende Zeit und Übernachtung auf der Mornington Peninsula gegönnt. Wir gingen hinter den Dünen spazieren. Mir fällt immer wieder auf, wie sich Strandlandschaften doch gleichen können. Es sind nicht die gleichen Pflanzenarten, die bei uns hier downunder wachsen, aber hier wie in Mecklenburg wächst hinter den Dünen doch eine ziemlich resistente, von Wind und salziger Luft geprägte Pflanzenwelt.

Hier also der Autor, von Casper David Friedrich fotografiert. Das nächste Foto zeigt einen unserer Arbeitsnomaden bei der Ausübung seine beruflichen Tätigkeit in einem Cafe. Für Leute, die am Rechner sitzen, ist ja fast schon egal, wo man sitzt.

Die nächste Atempause zwischen zwei Lockdowns konnte ich einmal wieder Bogenschießen, und ich habe mir einen Montag spontan freigenommen, um ins Museum, die Nationalgalerie, zu gehen.

Es war schon etwas merkwürdig, mit Maske durch das Museum zu schweifen. Ich fand es trotzdem toll, die Prunkstücke einer Ausstellung zum Impressionismus zu sehen.

Auch diese Pause dauerte nur kurz, und wir mußten uns wieder darauf beschränken, was unsere eingeschränkte Welt so zeigte. Frühling im Garten, Ausblicke auf die Stadt, das Meer, die durchradelten Straßen der Umgebung, Williamstown, Einkaufen im Prahran Market, Ausflüge nach Moreland und Footy im Fernsehen.

Zu letzteren beiden Themen habe ich ja zuvor geschrieben. Ich denke, allein die Tatsache, daß ich darüber zeitnah geschrieben habe, sagt etwas darüber aus, daß sich meine Laune zu Ende des Lockdowns no.6 erholte. Melbourne ließ sich impfen, und so war es abzusehen, daß wir fürs erste aus dem gröbsten raus kamen.

Auch haben wir dieses Jahr Familienzuwachs bekommen. Vorhang auf für zwei Fotos, für die das Internet geschaffen wurde: Die von Katzen.

 

 

12 Monate in 12 Tagen – Tag 8: Die blaue Periode

Kein Mensch sollte von mir erwarten, eine detailgetreue Beschreibung der Melbourner Lockdowns abzuliefern. Angeblich gab es sechs davon, und wir sind Weltmeister, mit irgendwas über 250 Tagen bis jetzt, ich glaube das mal denen, die da mitgezählt haben. Für mich wird das in der Erinnerung alles etwas verschwommen, weite Teile der Jahre 2020 und 2021 waren ziemlich gleichförmig. Wobei das nicht wirklich stimmt, es gab eine Menge Variationen. Das Kamasutra der Melbourner Lockdowns verzeichnet Ausgangssperren, die mal ab sieben, mal ab acht, mal ab neun Uhr am Abend zuschlugen, der Ausgangsradius war mal auf fünf, dann auf zehn und dann auf 25 km beschränkt, es gab schöne Wortschöpfungen wie die vertikale Nahrungsaufnahme (am Tresen stehen), mal dies mit Maske, mal ohne das.. kann keiner sagen, es war eintönig. War es aber doch. In der Regel bin ich morgens aus dem Haus geradelt, zum einen war mein Arbeitsplatz weniger als 5km von zuhause entfernt, auch war ich mit einem Schrieb bewaffnet, der mich als systemrelevanter Arbeiter auswies, habe auf der Arbeit alleine den Tag verbracht und bin dann nach Hause geradelt. Je nach Lage und Vorschrift bin ich ab und an ein wenig mit dem  Fahrrad durch die Gegend gedüst, in den letzten Monaten auch einen Morgen pro Woche mit freundlicher Begleitung,  bin schwimmen gegangen, ins Meer, in ein Schwimmbecken im Freien, wenn es ging, oder.. tja, das wars fast schon. Die Lockdowns fanden ja vorallem in den Wintern statt, wo es kühl und öfter auch mal grau ist, und abends ist es früh dunkel. Die Footyklubs sind auf die anderen Bundesländer ausgewichen, die weniger vom Virus betroffen waren. Wir haben stattdessen Footy im Fernsehen gesehen. Das Finale fand letztes Jahr in Brisbane, dieses Jahr in Perth statt.

Natürlich gab und gibt es auch hier Impfgegner (und Demos). Trotzdem, die Lockdowns und Beschränkungen , und vielleicht einfach nur die Vernuft und die Angst vor dem Virus haben dafür gesorgt, daß doch die meisten geimpft sind. In Victoria liegt die Impfquote bei deutlich über 90 Prozent. Ich hoffe, damit werden wir jetzt von dem Schlimmsten verschont. Im Moment ist ja Sommer, da ist es nicht so heftig. Trotzdem, Omicron verbreitet sich hier auch sehr schnell. Am 4.Januar werden meine Frau und ich in der Apotheke praktisch vor dem Haus das dritte Mal geimpft.

Auf Arbeit habe ich mit einer Arbeitsgruppe zu tun, die über Neuseeland und Malaysia verstreut ist, und habe Kollegen in den Philippinen, in Vietnam, in Indien, Mauritius, England, Frankreich.. nicht alles war zu allen Zeiten gleich, aber alle hatten über die zwei Jahre mit dem Virus zu kämpfen.

Das zu hören, relativiert auch. Es ist ja immer einfach zu glauben, daß man es bei sich ganz besonders schlimm erwischt hat. das kann ja denn doch nicht überall sein. Ich kann schon sagen, daß mir der Virus auf den Keks geht – wem nicht? – aber so ganz schlecht geht es uns denn doch nicht..

Wie auch immer, schön geht anders..

12 Monate in 12 Tagen – Tag 7: Winter, Sport und Zeitvertreib

Nach Ostern geht es in Melbourne dem Winter entgegen. Es ist Footy-Zeit, Australian Rules Football. Ohne den ist der Winter doch um einiges trüber. Mit meiner Tochter ging ich wieder ins Stadion, und, da es Winter ist, kann ein Aufwärmen in der Irish Times nicht schaden.

Die irische Flagge bläht sich im Winterwind, seitdem ich in Melbourne lebe, und sicher etwas länger. Ich erinnere mich an einen Abend mit einer U2-Coverband, die insofern beeindruckend war, daß der Sänger nicht nur sehr nach Bono klang, sondern auch die Gestik und das Pathos des irischen Sängers verblüffend imitieren konnte. Über die Irish Times schreibend, komme ich nicht umhin, an den Drunken Poet am Queen Victoria Market zu denken. Hier ist praktisch das Zuhause der irischen Fiddle. Hingehen, Guiness oder Kilkenny trinken, der Musik zuzuhören und mit Unbekannten zu plauschen, die am Ende eines Nachmittags oder Abends nicht mehr ganz unbekannt sind – das ist der Drunken Poet.

Und dann gab es auch wieder den runden Fußball im Fernsehen und in der Kneipe: Die ein Jahr verspätete Fußball-EM. Viele Deutsche waren morgens um 2 oder um 5 nicht zu finden, da z.B. viele junge Deutsche das Land inzwischen verlassen hatten. Das letzte Gruppenspiel der deutschen Nationalmannschaft fand zeitgleich mit dem unserer Kontrahenten in der Gruppe statt. So waren Ungarn, Deutsche, Portugiesen und Franzosen gleichzeitig im Pub. Kein Problem.

Wie wir wissen, hat die deutsche Nationalmannschaft die Gruppenphase überstanden. Gerade so… Am Ausgang bekam ich den Rat, fürs nächste Spiel schnell zu buchen, da die gegnerische Mannschaft viele Fans hätte. Und wegen diesen gäbe es das nächste Spiel das Bier aus Plastebechern, nicht aus Glas. Ich war dann bei dem Spiel, welches das letzte der Deutschen sein sollte. Als die Engländer Tore schossen, tanzten Fans auf den Tischen, die ab und an umkippten, und es flogen volle, halbvolle und leere Biergläser durch den Raum.

Okay, das Letzte stimmt nicht. Es waren Plastebecher.

Inzwischen war “der Adler gelandet”. Unser Gesundsheitsminister war sehr dramatisch und beschwor die Mondlandung, als die ersten Dosen Pfitzer ins Land eingeflogen wurden. Genug, um besonders Gefährteten, wie unserem Prime Minister, eine Dosis zu verspritzen. Danach war das Ding gegessen. Scott Morrison hatte seine Impfung und für den Rest des Landes , da war er sicher, war es “not a race”, kein Rennen.

Pfitzer gab es zwar nicht genug, aber Astrazeneca, welches in Melbourne produziert wird. Ganz selten kann man davon selbst Probleme bekommen, aber da wir für ein paar Monate keinen Virus im Lande hatten – die Außenwelt hatten wir einfach ausgesperrt, mehr oder weniger – war diese Gefahr, die geringer war als die Chance, im Lotto den Jackpot zu knacken, genug, um viele vom Impfen mit Astrazeneca abzuhalten.

Meine Frau und ich haben Superhelden gleich die schönste Impfstelle der Stadt gebucht, das für eine Weltausstellung 1879/80  gebaute Royal Exhibition Building, mit seiner Kuppel dem Florenzer Doms nachempfunden. Ein paar Minuten mit ein paar Dutzend Menschen warten, Eingang, Personalien überprüfen, eine Spritze in den Arm kriegen – was, das war’s schon? – 15 Minuten warten, für den Fall der Fälle, daß ich umfalle oder mir ein drittes Ohr mit 5G-Antenne wächst, mir die Kuppel von unten angucken, Fall erledigt.

Wir kamen gerade zur rechten Zeit. Meine Tochter mußte kurz vorher ins Krankenhaus, das hat unsere Buchung ein wenig verzögert, aber kurz danach fingen die Leute an, sich um Imfungen zu drängeln.

Fortsetzung folgt.

12 Monate in 12 Tagen – Tag 6: Free Hugs

Es wurde Ostern, und das war ja mal ein halbwegs fester Termin, um meine Studienfreundin und ihre Famile zu treffen. Das haben wir seit x Jahren getan, auch wenn immer mal wieder was dazwischen kam, und dabei so einiges erlebt und vorallem erlebt, wie Familien komplettiert wurden und wie sie wuchsen und wie die Jungs und Mädels größer wurden, bis sie sich aus dem Haus in die weite Welt begaben.

Nun, dieses Mal hatten wir Glück. Mister Covid ließ uns ins benachbarte Bundesland rüberwachsen. So kamen wir in einem Tagesritt nach NSW, machten einen Abstecher und Übernachtung in Tumbawumba, und einen Tag später waren wir in Sydney. Wir durften ein Appartment in Kingsford übernehmen. Die an der Straße liegenden kleinen Cafes und Gaststätten locken sonst oft asiatische Studenten an, aber davon gibt es zur Zeit hier wenige. So wirkte Kingsfords Hauptstaße, die Anzac Parade, etwas verlassener als sonst. Die Busse, die früher häufig in die Stadt fuhren, sind durch eine Straßenbahn ersetzt worden.

Als die Pandemie ausbreitete, gab es Unterstützung für alle möglichen Firmen und ihre Inhaber, die Unis hat die Regierung von der Unterstützung ausgeschlossen. Ab und an will man sich mit intellektuellen Erungenschaften schmücken, ansonsten sind Intellektuelle nur lästig für unsere ‘konservative’ Regierung. An Unis gibt es sogar noch Gewerkschaften, das ist auch hinderlich, wenn man von Gewerkschaftshassern regiert wird. Den Studenten hat man gesagt, daß sie keiner Unterstützung würdig sind und doch nach Hause gehen sollten. Unsere Regierung müsse sich nun um Aussies kümmern. Ich frage mich manchmal, ob Aussies im Ausland auch so rüde behandelt werden, ich glaube eher nicht…

Wie auch immer, wir waren ja vorallem wegen unserer Freunde in Sydney, und für free hugs, Umarmungen umsonst. Die hat man in einer Zeit, in der man sich vor allen und allem schützen soll, ab und auch nötig. Die gab es dann auch, und Fahrten in die Stadt, mit dem Boot unter der Harbour Bridge, spazieren im Chinesischen Garten in Darling Harbour und im Botanischen Garten an der Oper, essen auf dem Balkon und Wein und Geang. Okay, gesungen haben wir nicht, geschwatzt aber schon.

Hier mal wieder eines dieser schönen Bilder, die zeigen, wie gefährlich das Leben, hier genauer das Fahrradfahren in Sydney ist.

Wir haben auch ihre Tochter in Newcastle besucht, die mit Mann und deren kleiner Tochter in einem kleinen Häuschen am Wald wohnt, und sind ans Wasser, den Ozean gegangen. Es war noch sommerlich warm. Ich bin vorher einmal nachts am Hafen vorbeigefahren, an kilometerlangen Förderbändern vorbei, auf denen Kohle, viel viel Kohle, in die Schiffsbäuche verfrachtet wird, in die Schiffe, die dann nach China und Japan und anderswo fahren. Newcastle ist der größte Kohlehafen der Welt, wenn ich mich jetzt nicht irre. Das hat weder bei unserem Besuch am Waldrand noch beim Eisschlecken in der Stadt gespürt.

Auf dem Weg nach Hause hatten wir noch Begleitung, besuchten das Paragon Cafe in Goulburn, und schließlich einen der Söhne, den es in einen Ort nahe Canberra verschlagen hat, nach Captains Flat, einem schönen kleinen Ort in einer bergigen und waldigen Gegend. Wir haben uns gefreut, bei ihm übernachten zu können. Für einen Städter ist es doch was besonderes, wenn das Licht ausgeht und es wirklich richtig dunkel wird. Leider hat ihn ein LKW vor vielleicht einem Jahr in seinem Auto ziemlich plattgedrückt, das Auto war Schrott und er hat so einige seiner Knochen gebrochen, so daß es ihm auch jetzt immer noch mal weh tut.  Alles Gute nach Captains Flat!

 

12 Monate in 12 Tagen – Tag 5: Frohe Weihnachten!

Die Arbeit des Jahres geschafft, ich war auch geschafft, das Jahr war lang, um vier war Feierabend, zuhause Heiligabend, der Weihnachtsbaum hat im Topf das ganze Jahr überstanden, Kerzen, Weihnachtsstern, die rotblühende Pflanze, eine im Dunkeln glitzernde Telefonzelle, in der Santa einschneit. Besuch ganz kurz, Süßigkeiten, Pfefferkuchen, Dominosteine, Klaviermusik im Radio, Spazierganz in der Nachbarschaft, angucken, wie sie hier einen Schneemann bauen, und gleich geht es ins Bett. Morgen früh ist Bescherung, Santa kommt des Nachts durch den Schornstein, und danach geht es zum Baden an den Strand.

Frohe Weihnachten!