Einen erinnerungswürdigen Nachmittag verbrachte ich in Canberra damit, durch die immer wieder gern besuchte Nationalgalerie Australiens, die NGA, zu schlendern.
Dieses Mal fand ich ein Triennale zeitgenössischer Kunst, geschaffen von Australiens Ureinwohnern, den Aborigines. Mit modernen Mitteln führen diese ihre zehntausende alte Kultur weiter, benutzen heutige Methoden, Farben und Stoffe, verbinden sie mit überlieferten und geben ihren Erzählungen einen neuen, oft frischen Eindruck. Die Ausstellung ist noch bis Ende Juli zu besichtigen.
Im See, im Lake Burley Griffin, schwamm ein von Robert Fielding besprühtes Autowrack.
Wenn man etwas mehr als halbe Strecke auf dem Weg von Coober Pedy, der zumeist unterirdischen Stadt der Opalsucher, die ich mit meinem Sohn vor drei Jahren besuchte (https://www.petros.id.au/?p=198), nach Alice Springs, nach vielleicht vier Stunden bei Indulkana nach links abbiegt, hat man/frau 77 km Fahrt nach Mimili vor sich, eine Aboriginal-Siedlung von etwas mehr als 200 Leuten, wo Polizeiwache, eine Schule für etwa 60 Kinder, ein Schwimmbecken, ein Garten, in dem traditionelles bush food, Kräuter, Beeren, Wurzeln, die traditionell von den Ureinwohnern gegessen werden, und anderes zu finden sind. Das weiß ich aber nur, da ich ein wenig im Internet nachgeschaut habe. Um mir das selbst anzusehen, müßte ich um eine Genehmigung bitten, da das Land den Aboriginals, den Western Arrernte und Yankunytjatjara-Einwohnern, vorbehalten ist.
Man stelle sich rot-braune Erde vor, viel Sonne, Gestein und Berge, spärliches Grün, wenn man sich auf den Weg macht. Außerdem liegen links und rechts am Straßenrand verlassene Autos, die Robert Fielding mit der Spraydose bemalt, in Mustern und Ausdruck sich bei Überlieferungen seiner Vorfahren bedient. Das im See schwimmende “Holden on”, ein Wortspiel, der Holden ist ein lange in Australuen produziertes Auto, “Holdin’ on” heißt festhalten, dient auch als Werbung für die Galerie und die Ceremony-Ausstellung.
Im ersten Raum der Ausstellung ist eine Wand einem Kunstwerk von Penny Evans vorbehalten, gudhuwali BURN 2020-21.
Sie benutzt 280 in Lehm eingebettete angebrannte Überreste von lokalen Banksias, um an die heftigen Buschfeuer von 2015 bis 19 zu erinnern und auf die Bedeutung traditioneller Pflege der Ureinwohner für die Landschaft hinzuweisen. Das Ausbleiben des back burnings, des vorbeugenden kontrollierten Abbrennens, ist eines der Probleme (neben der in den letzten Jahren mehr und mehr sichtbaren Klimaveränderung), die die Feuer begünstigen und zu großflächigen zerstörenden Katastrophen auswachsen lassen.
Banksias wie auch andere einheimische Pflanzenarten bedürfen Feuer und/oder Rauch, um sich zu reproduzieren. Sie profitieren von vorbeugendem und daher regelmäßigen Abbrennen. Unregelmäßige und sich schnell wiederholende Brände sind Gift, da sich die jungen, aus der Asche entsprungenen Pflanzen noch nicht weit genug entwickelt haben, um “Eltern” für die nächste Generation zu sein.
Penny Evans lebt in Lismore. Ihr Zuhause ist das Land der Gamilaroi, das bewaldete Hinterland von Byron Bay an der nördlichen Küste New South Wales. Neben Waldbränden stellten kürzlich auch Fluten eine Gefahr da. Im Februar brachten anhaltende Regen soviel Wasser in die Stadt, Heimat von ca. 40 000 Menschen, daß de untersten Stockwerke von Wohnhäusern und Geschäften komplett geflutet wurden.
Dylan River hingegen stammt aus den Northern Territories, von den Kaytete. Seine Großmutter, Freda Glynn, und deren Schwester wurden in den “Bungalow” an der Telegrafenstation am Nordrand der zentralaustralischen Stadt Alice Springs verfrachtet, in eine Institution für “half-casts”, die gemischtrassigen Kinder mit weißen und Aboriginal Eltern. Ihre Mutter Topsy verdingte sich in der Wäscherei des Bungalows, um bei ihren Kindern bleiben zu können.
Dylan River betrachte sich Bilder der Kinder, die in diese Institutionen verschleppt wurden, um von Familie und Zugang zu ihrer Kultur getrennt zu werden. Zumeist wurden sie vor den weißen Häusern aufgereiht. Bei genaueren Hinsehen war in ihren Augen reflektiert trotzdem etwas Umfeld zu sehen, die Landschaft und die Gebäude, in denen sie aufwuchsen.
Darrell Sibosado, von den Bard People, “Salzwassermenschen” auf der Dampier-Halbinsel nördlich von Broome in Westaustralien, fühlt sich seiner Kultur und Vorfahren verbunden, wenn er Seemuscheln, riji, in den Händen hält.
Ich habe im Norden Westaustraliens an der Eighy Miles Beach einen Zwischenstop eingelegt, als ich 1997 als Tourist das Land bereiste. Vom Bus, der alle zwei Tage hier den Highway entlang fuhr, wurde ich an einem Abzweig abgesetzt und hatte einen zweistündigen Marsch vor mir, unter strahlendem Blau, auf roter Erde, bewachsenen mit meterhohen bleichgrünen Sträuchern, auf einer Landstraße, an dessen Ende ein kleiner Zeltplatz zu finden war. Dahinter war ein helles türkisfarbenes makellos klares Meer von unglaublicher Schönheit.
Zurück zu den Muscheln. Diese sind die Schuppen der Aaalingoon, der Regenbogenschlange, die auf dem Ozean zur Ruhe kommt. In diese Muschelschalen werden traditionell Muster eingeritzt, die Darrell Sibosado nun stattdessen neonstrahlend an die Wand malt. Wie auf den Schalen sind drei Symbole zu sehen: Gulgan, die Fischreuse, Morr, der Weg, und Dyimmorgamol, der Krieger. Sie stehen für den Ort, an dem man ist, der Tätigkeit, was man tut, und der Stellung, sein Platz und Status in der Gruppe. “Narrgidj Morr” ist der Richtige Weg, dem zu folgen ist..
Diese Symbole sind mit Zeremonien assoziiert, beschreiben aber nicht diese selbst, sondern den Weg zu ihr. Dieser ist Teil des Ganzen und reflektiert Verwandtschaft und Pflichten zwischen den Mitgliedern der Gruppe.
Mantua Nangala von den Pintupi ist in der Gibson-Wüste zuhause. Halben Weges zwischen der eben genannten nördlichen westaustralischen Küste und Alice Spring liegt Kiwirrkura, eine kleine Siedlung mit weniger als 200 Einwohnern. Sie zählt zu den am weitesten isolierten Orten Australiens.
Ihre vom weiten abstrakt und nahezu monochromatisch ausschauenden Bilder sind geduldig Punkt für Punkt gemalt. Mantua Nangalas Bilder sind mit traditionellen Wanderungen von Frauen durch die Wüste verbunden und erinnern an das Flirren der heißen Luft über den sich im Wind ständig umformenden Dünen in der Wüste.
Am Ende meines Ausstellungsbesuchers bin ich noch über ein Kunstwertk “gestolpert”, welches nicht von einer Aborigine, sondern einer Melbourner Künstlerin geschaffen wurde, Janenne Eaton.
Der Anblick läßt mich zumindest vermuten, daß bei der Idee dieses Werkes aus dem Jahre 1993 Kunst der Ureinwohner Pate gestanden hat.
Beim genauen Hinsehen entpuppt sich, daß es aus tausenden elektrischen Widerständen besteht.
So heißt es denn auch: Resistance – Widerstand.