Tasmanien – Eine Sommerreise

.. mit Worten von First Dog On The Moon im Ohr. Der Cartoonist für The Guardians Australien-Webseite, zog vor einiger Zeit nach Tasmanien. Seine Berichte über das Leben auf Australiens südlichem Inselstaat enden gewöhnlich mit “Tasmanien ist schrecklich – komm bloß nicht hierher”.

Anreise

Neujahrsmorgen. Obwohl sehr früh, bin ich halbwach als der Wecker klingelt. 6 Uhr. Frühstück, dann die letzten Dinge verpacken, das Auto ist schon seit gestern voll. Wir waren bei E&M und deren Familie und Freunde aus Deutschland sowie einem Nachbarn, dessen Sohn mit C. in die gleiche Schule geht. Um elf verließen wir die Gartenparty, Q. war müde. Fernseher, die ABC überträgt aus Sydney. Die letzten Takte eines Rockkonzerts an der Harbour Bridge, Charlie Pickering im schwarzen Anzug, mit Fliege, dann Feuerwerk an der Harbour Bridge, über Jackson Harbour. Tonnenweise Pyrotechnik Millionen wert, damit könnte man die Obdachlosen ein ganzes Jahr versorgen, nehme ich an. Wir gehen ins Bett.

Das Frühstück etwas eigenwillig, wer hat schon Kohlroulade am Morgen, aber das ist, was wir übrighaben und was weg muß. Die Katze bekommt ihren Napf draußen gezeigt, ein Nachbar wird sich um sie kümmern, als auch um das Gemüse, das Q. gepflanzt hat. Um halb acht sind wir bereit zur kurzen Fahrt zum Station Pier. Die Spirit of Tasmania liegt schon bereit, Meter um Meter, fast eine Stunde lang, schleichen wir uns an die Fähre heran. Die letzten Bananen werden gegessen, die Äpfel weggeworfen, die Quarantäne erlaubt es uns nicht, sie mit auf die Insel zu bringen. Fruchtfliegen sind dort immer noch rar, und das soll auch so bleiben. Wir dachten, wir könnten sie noch auf dem Schiff essen, wollten uns dann aber besser keinen Ärger einhandeln.

Nach zwei Stunden ist die Fähre von Rostock aus in Gedser, im Nachbarland, hier reicht die Zeit gerade mal dazu, die Port Phillip Bay zu verlassen. Wir sehen die Fähre, die an der Ozeanmündung von einer Halbinsel zur anderen fährt, von Queenscliff nach Sorrento, und den Leuchtturm von Point Lonsdale. Ein wenig Geplauder mit einem Paar aus Brighton, sie ist gebürtige Engländerin aus Kent. Das Thema Brexit verwefen wir nach drei Sätzen, sie findet das nur verrückt. Wir reden über alte Häuser aus Ziegeln und wer sie gebaut hat. Ihres war eines von benachbarten gleichartigen, der Erstbesitzer war der Bauunternehmer für die Siedlung. Unseres ist ab 1940 vom Staat errichtet worden, um Bedürftige aus innerstädtischen Slums, die abgeriss en wurden, zu behausen. Der Blick streift über die Weite, ein blaues Meer unter wolkenlos blauem Himmel. Die Wellen des Ozeans ersetzen die eher spiegelgleiche Oberfläche der Bucht. Wir sind in der Bass Straight.

Aller Ruhm ist vergänglich

und so sind wir. Ein Morgenspaziergang im Norden von Tasmanien erinnert mich an die Naturgewalten, die unseren Planeten beherrschen. Das Meer ist freundlich, aber nicht zahm.

50 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, 1995, erinnerte die Gemeinde von Devonport daran, in dem sie einheimische Büsche nahe des Wassers pflanzte.

Federführend war Landcare, eine Basisbewegung, die sich die Pflege der australischen Landschaft auf die Fahnen geschrieben hat. Die erste Gruppe wurde 1986 nahe St.Arnaud in der Wimmera, im Nordwesten Victorias, gegründet. Landwirte sind vertraut mit dem Land, aber auch mit den Problemen, die entstehen, wenn vorallem europäische Landnutzungsmethoden auf ein Land angewandt werden, welches der Herkunft so unähnlich ist.

Melbourne heute – Gewerkschaften demonstrieren

Heute gesehen: Eine Demo für mehr Rechte der Gewerkschaften, für höhere Löhne und mehr: https://www.newspeddler.info/?p=29

Kurz zuvor: Die Proteste gegen die auf Nauru gefangengehaltenen Flüchtlingskinder nehmen zu. Gemeinnützige Organisationen erhöhen den Druck, bei der letzten Nachwahl in Sydney versprach die Wahlgewinnerin, Kerryn Phelps, sich zunächst darum zu kümmern. Und endlich scheint sich auch im Parlament etwas zu bewegen.

Ich fand diese Kreideschrift auf der Straße von Elwood:

Schnappschuss – Ein ehemaliges Waisenhaus

Vor kurzem stoppte ich morgens auf dem Weg zur Arbeit an einem ehemaligen katholischen Waisenhaus, welches heute einen Familiendienst beherbergt.

The Loud Fence, die Schleifen an den Gittern, sind Gesten der Solidaritaet mit den Opfern sexuellen Missbrauchs, ihren Familien und der Gemeinschaft, wie das angebrachte Schil erklaert.

Julia Gilliard initierte 2012 eine Royal Commission, eine Untersuchung sexuellen Missbrauchs in australischen Institutionen. Sie wurde von Peter McClennan gefuehrt und berichtete schliesslich 5 Jahre spaeter.

4 444 Menschen sagten gegen die Katholische Kirche und ihre Institutionen aus.

Wir – eine Woche Musik in Melbourne

Melbourne ist eine Stadt voller Musik. Ich nahm mir letzte Woche etwas Zeit, sie hautnah zu erleben.

Am Freitag war ich bei PBS zu Gast im Studio. Gast? Nicht wirklich. Ich bin einer von tausenden “Mitgliedern” (members), die mit ihrer Spende jaehrlich dafuer sorgen, dass der Sender im Radio und im Internet zu hoeren ist. 106.7 PBS FM ist einer von mehreren “community radio stations”, die von Melbournern getragen werden, ob als Spender oder Freiwillige, die das Programm gestalten, am Telefon sitzen, Veranstaltungen planen und mehr.

PBS ist das Zuhause der weniger gehoerten Musik, “Home of the little-heard music”. In woechentlicher Abfolge wechselt das Program zumeist zwei-, manchmal einstuendig. Meine Familie hoert gelegentlich The Breakfast Spread, die Fruehstueckssendung, oder was sonst so kommt, am Freitagabend auf einer spaeten Fahrt nach Hause Metal Genesis mit Wendy, am Montagabend Mumbai Massala mit Richi Madan, oder am Sonntagnachmittag auf der Heimfahrt aus dem Schnee 106.7 Flight to Africa, welches jede Woche mit “Africa” von Salif Keita, einem aus Mali stammenden Saenger, eingeleitet wird, einem hypnotischen Klang westafrikanischer und franzoesischer Worte.

Letzte Woche “Drive live” war eine Moeglichkeit, Bands im Studio zu sehen als auch die Moderatoren bei der Arbeit, beim Ansagen, bei Interviews und mehr zu beobachten. Jeder sucht sich einen Platz vor den Glasswaenden der Studios, um sich die dort spielenden Musiker und Moderatoren anschauen zu koennen. Ein wenig erinnert das Ganze an ein grosses Terrarium, bewohnt von der interessanten Spezies Homo musicus. Vor dem Terrarium schlagen Kinder Rad, quatschen Freunde, stehen Leute mit dem Bier in der Hand vor den Bands und hoeren ihnen zu. Als ich am Freitag im Studio reinschaute, konnte ich zunaechst MOD CON geniessen, Erica Dunn, die bei PBS ihre eigene Show hat, “Mixing Up The Medicine”, Sara Retallick and Raquel Solier.

Ein anderes jaehrliches Ereignis ist das Musikfestival in St.Kilda. Auf mehr als einem halben Dutzend Buehnen in diesem Stadtteil am Strand spielen Musiker, und zwischen ihnen pendeln die meist jungen Leute, Backpacker und Einwohner dieser Stadt, essen und trinken von den Staenden oder den Gaststaetten der Ackland Street und Umgebung, besuchen den gleichzeitig stattfinden woechentlichen Kunstmarkt an der Upper Esplanade und mehr.

Mein Favorit war die kleine Songwriters’ Stage. Ein kleines Zelt im Sand und dahinter die Seebruecke mit dem Kiosk weit draussen und der weisse Schaum der Wellen, die dem Strand entgegenrollen. In den Catani Gardens hoerte ich leicht angejazzte Musik der einheimischen Northern Folk, um dann zum Luna Park weiterzuschlendern. Hier begeisterte mich Electic Fields, ein Soul&Electronica-Duo, die Stimme von Zaachariaha Fielding, der aus dem Roten Zentrum des Landes stammt, begleitet von Michael Ross an den Keyboards. Danach spielten auf der grossen Buehne neben dem Seebad, das Meer im Ruecken, die Rockveteranen von The Models. Junge Menschen versuchten sich im Moshpit, einige trugen ihre Freundinnen auf den Schultern, es wurde getanzt, mit den Fuessen gewippt oder einfach nur auf dem Rasen gesessen.

Wesentlich “gesetzter” ging es in der Rod Laver Arena zu. Am Dienstagabend lief ich dem Olympic Precinct, der Ansammlung Melbourner Spielstaetten entgegen. Ein paar Tausend Leute gingen zum Fussballstadion, mit dunkelblauen T-Shirts und Schals ihre Verbundenheit mit Melbourne Victory zur Schau stellend, welche an diesem Abend ihre Saison in der Asian Championsleague begannen. Die anderen trugen haeufig Pink Floyd-T-Shirts. Roger Waters, Saenger und Bassist dieser Band, spielte in der Rod Laver Arena. Vor dem Eingang wurden Karten verteilt, die zur Unterstuetzung der Palaestinenser aufrief.

Es setzte den Ton fuer den Abend. Roger Waters macht heute mehr denn je Musik, die sich kritisch mit der Welt auseinandersetzt. Er erinnerte die Menge an die Anti-Atomwaffen-Bewegung, International Campaign to Abolish Nuclear Weapons, die dieses Jahr den Friedens-Nobelpreis verliehen bekam. Diese Bewegung hat seine Wurzeln auch in Melbourne, wo im Jahre 2007 die ersten Verantstaltungen stattfanden.

Er war sichtlich enttaeuscht, dass diese Preisverleihung fuer viele offensichtlich immer noch eine Neuigkeit ist. Wer weiss, war er gesagt hatte, haette er gehoert, dass die hiesige Regierung gerade beschlossen hat, Milliarden zu investieren, damit Australien zu einem fuehrenden Waffenexporter wird, um mehr Tod in die Welt zu tragen. Er mag gegen Trump und die Tories in England wettern, wir haben hier unseren eigenen Anteil an einem Zustand der Welt, fuer den man sich schaemen sollte.

Dieser Zustand der Welt ist Thema seiner Lieder und einer erstaunlichen visuellen und akustischen Praesentation.

Das Anfang der 70er veroeffentlichte Pink-Floyd-Album “The Dark Side Of The Moon” umrahmte die Show. Er begann das Konzert mit dem ersten Stueck der Platte, und beendete es mit dem letzten, und er spielte alle Stuecke, Time und Money, The Great Gig in The Sky und Us & Them, welches seiner diesjaehrigen Tour den Namen gab. Die meisten seiner Lieder waren aus den 70ern, aus den erfolgreichen Alben “Wish You Were Here”, “Animals” und ein wenig von “The Wall”, von dem er sich fuer die Zugaben bediente, und zu dessem “Another Break In The Wall” Melbourner Schulkinder auf der Buehne standen, die sich am Ende des Liedes aus ihren orangen Overalls befreiten und dann “Resist” – Widerstand – auf ihrem Koerper trugen.

Waters spielte auch zwei Stuecke von seinem neuen Album “Is This The Life We really Want?”. “Deja Vu” und “Picture That” zeigen ihn als das wuetende Pendant zu David Bowie, der seine Enttaeuschung mit dem Zustand der Welt in seinem Spaetwerk nur etwas zurueckhaltender ausgedrueckt hat.

Nichtsdestotrotz vermag Waters mit seiner Musik und der visuellen Darstellung, mit den Gesichtern und Koerpern einfacher Menschen in all diesem Chaos, eine Hoffnung zu vermitteln, wenn wir humaner, menschlicher, umgehen, wenn “Us & Them” zu einem klaren “Us” – “Wir” wird.

Wandern durch die Werribee-Schlucht

Frühmorgens machen M. und ich uns auf den Weg gen Westen. Dabei: ein paar Früchte, ein wenig Brot, verschiedenerlei Wurst und Käse, Wasser und Bier. M. hat den Weg ausgekundschaftet, eine Karte dabei, los geht’s! Das Wetter ist soso, nicht Fisch, nicht Fleisch, grauer Himmel, trotzdem hell, Regen: nein. Über die West Gate Bridge, die Western Ring Road, dann Richtung Ballarat. Nach Passion Play kommt Tom Petty aus den Lautsprechern, ein Konzert in den Hamburger Docks. Unser Gespräch dreht sich um Musik, um unsere Frauen, ein paar Ideen, die Landschaft, durch wir fahren, die Fahrweise der Aussies. Es ist Samstagmorgen, die Autobahn ist nur mäßig befahren, die geringe Geschwindigkeit von 110km/h maximal und die ziemlich teuren Strafzettel sorgen für eine entspannte Fahrt, wenn ich es mit Deutschland vergleiche. Entspannt erreichen wir die richtige Ausfahrt, einmal kurz verfahren und wir sind da. Die letzten paar hundert Meter geht es über eine unbefestigte Straße, unser Stadtauto muß ein paar ordentliche Bodenwellen verkraften, dann sind wir am Parkplatz.

Der Werribee River fließt westlich der Port Phillip Bucht entgegen, 110km lang. Diese Gegend ist durch vulkanische Aktivitäten geprägt, Basalt ergoß sich seit dem Devon über die Ebene. Die Erhebungen nahe der Werribee-Schlucht sind Vulkane und Basaltflüsse aus dem Perm vor etwa 280 Millionen Jahren. Später wurde die Landschaft während Eiszeiten durch Gletscher überformt, die Gipfel abgetragen, die Kanten abgeschliffen, die Landschaft wurde runder. Ein wenig erinnert es mich daher an die Gegend um das thüringische Jena, welche wohl eine ähnliche Erdgeschichte hinter sich hat. Auch wenn die Bäume, die Büsche, Blumen und Vögel hier anders aussehen, die Formen der Landschaften lassen mich trotzdem ab und an an meine alte Heimat denken.

Mit leichten Gepäck machen wir uns auf den 10km langen Rundweg. Es sind schon einige Autos hier, doch noch ist es sehr ruhig. Später begegnen uns mehr Menschen, Studenten sind nicht so früh unterwegs wie wir. So haben wir den Weg zunächst zumeist für uns, bergauf, bergab über rote Erde, Steine durch den australischen Busch. Wir entfernen uns vom Fluß und haben ein paar schöne Ausblicke, Täler und Berge, weit im Osten ragen die Türme der Melbourner Innenstadt aus der Ebene um die Bucht, dahinter das dunkle Band der Dandenongs, der Bergkette im Osten der Stadt. Melbourne ist mehr als 50km entfernt, der Blick sagt etwas über die Plattheit an der Bucht und die klare Luft, die wir hier im Süden des Kontinents genießen.

Unsere Wanderung wird vom Geplätscher unserer wortwerdenden Gedanken begleitet, oft aber stapfen wir stumm daher, ab und an für ein paar Fotos anhaltend. Es dauert nicht lange und wir haben, der Wegzeichnung nach, die Hälfte geschafft, wir werden wesentlich weniger als die am Anfang angegebenen 5 Stunden brauchen. Am Ende werde es etwas mehr als 3 sein, da der Weg am Ende etwas schwieriger wird.

Nach dem westlichsten Ausblick geht es nähmlich nach Süden, hier folgen wir nun dem Wasser des Flusses, während über uns die waldbestandenen Basaltsäulen in den Himmel ragen. Wir gelangen so an ein Badeufer, Needle Beach. Es fällt uns nicht schwer sich vorzustellen, daß diese Landschaft für die australischen Ureinwohner von Bedeutung ist. Der Fluß wird ihnen Fisch gegeben haben, das Wasser lockt Tiere heran,und ein Bad im heißen Sommer verheißt Erfrischung.

Danach kommt der forderndste Abschnitt der Wanderung. Hier treffen sich Fluß und hohe Felsen, an denen man herumklettern muß. An einer Stelle haben die Parkwächter gar Stahlseine angebracht, an denen man sich festhalten kann. Ich bin erstaunt, danach einen jungen Mann auf Krücken zu sehen, der sich zwischen ihnen schnell davonschwingt. Er scheint sich seiner Sache sicher zu sein.

Die letzte Strecke gehen wir einen Weg entlang, der einem Bauern zu verdanken ist, der von 1924 bis 26 mit Dynamit einen Wasserweg in die Felsen geprengt hat, um seine Lupinenfelder zu bewässern.

Schließlich erreichen wir den Parkplatz, an dem wir gestartet sind. Bier und Brot schmecken gut, während wir bunten Vögelchen beim Krumenpicken zuschauen. Entspannt geht es dann nach Hause.

 

Ein Abend in Collingwood

Ein wenig schmerzt noch immer der Verlust des Arthouse, an der Ecke Elizabeth und Queensberry, wo heute The Last Jar Irisches anbietet. Auch nicht schlecht, aber eben nicht das Farthouse, für jüngere und nicht so jüngere Freunde der lauten Musik, von Punk, Metal und Verwandtem, lange das Zuhause war.

Peter A., der alte Schwede, hat mir das Bendigo Hotel in Connlingwood empfohlen. Ein Blättern durch den Gig Guide des Beats führte mich heute dorthin.

Die Fahrt dorthin war schon die Reise wert, ein kälter werdender Frühlingsabend bescherte uns einen goldenen Sonnenuntergang. Noch heute fasziniert mich das mediterrane Licht und die klare Luft, die Melbourne oft glänzen läßt. Ein Regenguß kurz davor trug das seine dazu bei.

Im Bendigo begrüßte mich ein Türsteher, eine grungy Frontbar, Poster der bevorstehenden Konzerte, ein Foto des jungen Lemmy von Motorhead, diverse kleine Gruseligkeiten wie kahle Schädel, und ein Barmann, der mir die Pinte Bier (560ml) White Rabbit, lustigerweise ein dukles Bier, einschenkte, zum stolzen Preis von 12 Talern. Noch ohne Abendessen, bestellte ich Lammkeule, diese für nur 15 Dollar, für Melbourner Verhältnisse geradezu geschenkt. Als das Essen kam, war ich etwas überrascht, es kam im Pappbecher mit hölzernem Wegwerfbesteck. Damit Fleisch zu schneiden ist schwierig, so daß ich zur Handarbeit übergehe. Kein Spitzenessen, aber es füllt den Magen.

Meine Stimmung wird nicht nur durchs Mahl, sondern auch durch ururalte AC/DC-Songs gespeist, durchs “Dirty deeds done dirt cheap”-Album mit Bon Scott. Ab und an wird dies durch den Soundcheck aus dem Nachbarraum übertönt, und als die erste Band dann richtig loslegt, gehe ich hinein.

Der Raum ist dunkel und hat die gewisse Patina von hunderten bier- und musikgeschwängerten Abenden. Eine angestrahlte bleiche Gestalt erinnert mich an Dobbie aus den Harry-Potter-Filmen, der Menschen sind es nicht viele, die meisten Musiker und ihre Freundinnen und Freunde.

Zuerst spielen die Shitty Tatts, vier junge Männer, deutlich Melbourne. Rechts der Richmond-Supporter im gelb-schwarzen T-Shirt, offensichtlich immer noch den Meisterschaftsgewinn im Footy am letzten Wochenende feiernd, in der Mitte trägt der Gitarrist den Spruch “I love the smell of Napalm in the morning” aus Apocalypse Now. Sänger und Schlagzeuger tragen weniger auffällige Kleidung. Gespielt wird Punkiges, schnell, hart und melodiös, eine Erinnerung an 1980. Mir gefällts.

Danach kommen die Silverlight Shadows, ein klassisches Rock-Trio. Sie meistern diese Besetzung glänzend, heraus kommt dichter, präziser Rock, der Sound einer gutgeölten Kettensäge, Grunge, Stoner Rock? Irgendwie sowas, längere Passagen,die mehr durch konzentrierte Rhythmen denn durch Soli auffallen. Der Gesang ist gut, aber ein wenig zu wenig dominant für meinen Geschmack. Das war aber auch schon alles, was ich auszusetzen habe. Es war eine weitere Band, die die Reise wert war, der Abend hatte sich gelohnt.

Nun kam der Headliner, Monarchus. Ebenfalls ein Trio, die Gitarristin war auch zumeist die Sängerin. Vielleicht lag es an einsetzender Müdigkeit, aber so richtig war ich nicht zu begeistern. Ich weiß nicht, ob hier nicht auch ein Kräftemessen zu spüren war, Bassist und Schlagzeuger schienen mir die Frau an der Gitarre zu erdrücken. Ich hätte ihr mehr gegönnt, ihre Stimme erinnerte mich an Blondie, und sie hatte eine Hauptrolle verdient. Als ich das Lokal verließ und nach Hause radelte, hatte ich den Drive von Call Me im Kopf.

Soweit mein Abend im Bendigo Hotel. Ich kann den Laden besten Gewissens weiterempfehlen, wenn man auf erdigen Rock’n’Roll der nicht weichgespülten Art steht.

Dieser Bericht wurde absichtlich ohne Bild und Ton verfaßt. Erstens darf sich jeder vorstellen, wie es wohl aussehen mag, zweitens selbst nachgucken, und drittens mag ich oft keine Fotos machen, wenn ich Musik und Ambiente genieße. Das klingt zu sehr nach Arbeit..

Und dafür ist gute Musik dann doch zu schade!

People Have The Power

Die Festival Hall in North Melbourne am Donnerstagabend: Patti Smith gibt ihr letztes Konzert in Australien. Hierher zu fliegen ist anstrengend für sie geworden, sagt sie, und wenn dann noch die Organisation für eine ganze Band dazukommt, dann wird ihr das langsam zu viel. Sie mag vielleicht noch einmal kommen, aber halt nicht mit voller Band.

Ich hatte ihre Musik, ihr Dancing Barfoot, schon morgens im Kopf, und abends auf dem Weg zum Konzert. Eine Vergeßlichkeit wurde unangenehm für mich: Was sollte ich ohne Fahrradschloß mit meinem Rade anfangen? Ich beschloß, eine junge Frau zu fragen, die gerade ihres abschloß. Sie nahm sich auch meines Rades an, so daß es während des Konzertes sicher war.

In der Festival Hall angekommen, sah ich recht viele Frauen. Sicher, Patti Smith ist auch Wegbereiterin, wenn es um Frauen in Rock(musik) geht.

Zunächst spielte aber Courtney Barnett. Die junge einheimische Sängerin freute sich, vertraute Gesichter aus North Melbourne zu sehen, darunter Mama und Papa. Fast wäre sie nicht auf die Bühne gekommen, scherzte sie: Sie hatte ihren Eltern ihr Armband gegeben.

Courtney spielte fast ausnahmslos Material von ihrer Platte “Sometimes I sit and think, and sometimes I just sit.” Ihre Melbourner Geschichten wurden freundlich aufgenommen. Sie fing langsam und fast beschaulich an, mit Dead Fox. More people die on the road than in the ocean maybe we should mull over culling cars instead of sharks. Mir gefallen ihre lakonischen Bemerkungen und die Zitate aus dem Leben in Melbourne, ob es um den Hauskauf in Depreston geht oder den Elevator operator auf dem Weg in die Stadt, mit der 96 von St.Kilda zur Swanston Street und dann hinauf ins Nicholas Building, eines der alten Hochhäuser aus dem 19.Jahrhundert. Sie ist aber wirklich keine “Liedermacherin”; sie und ihre Band rocken ganz ordentlich. Mir machte das Zuschauen und Zuhören Spaß.

Während Courtney Barnett freundlich aufgenommen wurde, wurde Patti Smith ein frenetischer Empfang beschert. Los ging es mit Dancing Barfoot von der Platte Wave, mit Pumping (My Heart) ging es noch weiter zurück, zu Radio Ethopia. Auch mit Ghost Dance blieb sie in den Siebzigern, das Lied ist auf ihrem dritten Album Easter.

Den nächsten Song sagte sie wie folgt an: Mit 15 hätte sie in ihrem Zimmer gesessen und Lieder ihres Lieblingspoeten gesungen. Das möchte sie auch heute abend tun. Und so stimmte sie “Oh, where have you been, my blue-eyed son? Oh, where have you been, my darling young one?” an, Bob Dylans Hard Rain’s A-Gonna Fall.

Mit Break It Up gelangte sie schließlich zum Anfang ihrer Karriere, bei der ersten Platte Horses. Diese hatte sie in den Tagen zuvor in voller Länge in der Hamer Hall gespielt. Mir gefiel dieser Abend in der Festival Hall besser, auch, da es sich um einen im Stehen handelte und wir nicht auf die Sitze in klassischem Konzertambiente verbannt wurden. Sicher, die Festival Hall ist kein Glanzstück der Akustik, aber sowohl Courtnery Barnett als auch Patti Smith kamen klar und deutlich herüber, anders als Metallica und Slayer, die mir mit miserablem Sound den Konzertort für Jahre vergault hatten.

Break It Up wurde von Patti Smith nach einem Traum geschrieben, erzählte sie, nach einem, in dem sie in den Wald geht und auf einer Lichtung eine Engelsstatue sieht, deren Schwingen in Ketten gelegt wurden. Ihr war klar, daß darinnen Jim Morrison steckte, und so rief sie “Break it up!”, damit er sich aus der Statue, aus dem Gestein befreien konnte.Sie forderte uns, die Zuhörer, auf, das auch heute abend auszrufen. Dem Wunsch wurde gern nachgegeben. Überhaupt wurde viel geklatscht, mitgesungen, mitgetanzt und mitgestampft.

Aint’t It Strange und Pissing In The River kamen als Nächstes. Sie beschrieb den Tod von Arthur Rimbaud, der ein Bein verloren hatte und im Krankenhaus im Sterben lag. Im Delirium träumte er davon, wie er mit dem Schiff nach Abyssinien reiste, um dort auf wilden Pferden zu reiten, wie er es in seinem Leben am liebsten getan hatte. So starb er nicht eines traurigen Todes, sondern mit dem Gedanken an etwas Schönes. Nach dieser Geschichte stimmte sie Beneath The Southern Cross an, ihr erster Ausflug in ihre jüngere Musikgeschichte, zum Album Gone Again.

Auch mit People Have The Power verweilte sie ein wenig in dieser Zeit. Ihr Aufruf, optimistisch zu sein und die Zukunft mitzubestimmen wurde begeistert aufgenommen. Für viele ein willkommener Kontrast zu den eher dunklen Winden, die uns dieser Tage umwehen.

Mit einem langen Jam entlang “Horses”, wie auf dem Album in den Song Gloria übergehend, beendete den regulären Teil ihres Auftritts. Natürlich mußte sie zum Encore auf die Bühne, und spielte zwei weitere sehr populäre Stücke: Bruce Springsteens “Because The Night” und den Rock’n’Roll Nigger.

Der Jubel war groß, und so dauerte es ein wenig, bis Ruhe eintrat. Mit dem A-capella vorgetragenen Liedchen Wing verabschiedete sie sich und ihre Band zum letzten Mal.

Beschwingt, gestärkt und optimistisch verließ ich diesen Hippie-Gottesdienst, traf Rosie, die Hüterin meines Fahrrads wieder,bedankte mich bei ihr und fuhr in der warmen Abendluft durch die Dockland nach Hause.

So schön kann Musik sein.

P.S. Dieser Artikel enthält mindestens einen Fehler, die Herkunft und Reihenfolge von Liedern auf Patti-Smith-Platten betreffend.

Eigentlich kein Wunder. Abgesehen von der fabulous fabulierenden Patti Smith liegen auch meine eigenen Erinnerungen auf einem Fundament aus zweiter Hand. Ich verbinde Patti Smith mit meiner Zeit in der Abendschule, mein Abitur nachholend, gemeinsam mit einem Freund, der mit anderen ein neues Zuhause in einem zu DDR-Zeiten vernachlässigten abrißreifen Haus in der Rostocker Nördlichen Altstadt gefunden hatte. In diesem Haus, in dem man auf der Toilette mit einem Wassereimer nachspülte, und der Eingang auf Bauchhöhe durch ein Kabel “vermint” war, welches Plattenspieler und Lautsprecher verband, glaube ich, zuerst Patti Smith gehört zu haben.

An Plattenläden, in die man ging, um einfach so die neueste Patti-Smith-Platte zu kaufen, war damals nicht zu denken. So begann meine Sammlung mit Mitschnitten aus “Duett – Musik für den Recorder” von Jugendradio DT64 und andren Radioquellen, zumeist dem NDR, dem “Westradio”, und wurde später ergänzt durch Geschenke und selbstgekauften Tonträgern, nachdem die Mauer offen geöffnet wurde.

Meine Horses-Kopie ist im wahrsten Sinne eine Kopie, für eine Handvoll Peseten auf einer Wanderung in Spanien erworben, gemeinsam mit Radio Ethopia. Man kann gar das Absenken der Plattennadel hören, und die Lieder sind in falscher Reihenfolge und unterschiedlich auf Hülle und auf der Kassette selbst abgedruckt.

Anyway, “don’t fuck around with the past. Let’s fuck around with the future. We are the future” (Patti Smith auf dem Konzert.)

P.P.S. Grüsse nach Hangzhou. Mal schauen, ob ich mal wieder vorbeikommen kann. Schade, daß Du umgezogen bist. Ich werde das Spülen mit dem Wassereimer vermissen;-)

 

Ostern 2017

.. waren wir unterwegs, E. und Familie zu treffen, wie seit Jahren üblich – wenn nicht was dazwischen kommt. Auch dieses Mal haben wir einen Treffpunkt “in der Mitte” gesucht, dieses Mal einen Campingplatz nahe Canberra, der Hauptstadt Australiens, oder auch: das hiesige Bonn (Bundeshauptstadt ohne nennenwertes Nachtleben).

Die Canberra Times vermeldete unter anderem, daß beide Eltern des “durchschnittlichen Hauptstädters” in Australien geboren sind – anders als z.B. in Melbourne, wo im Durschschnitt ein Elternteil zugewandert ist. Es bestätigt meinen Eindruck, daß Canberra sehr bleichgesichtig ist, um mal mit Karl May zu reden.

Wir machten uns am Samstagnachmittag auf den Weg den Hume Highway hinauf. “It takes around nine hours / to clear the Hume Highway” singt Tim Rodgers. Wir brauchen aber nicht so weit zu fahren, und wir haben auch Gott sei Dank nicht so einen traurigen Anlaß wie den, den er im “Paragon Cafe” beschreibt.

Trotzdem ist es schon ein Endchen bis Chiltern, unserem ersten Nachtquartier. Der Weg ist vertraut, von meinen Winterfahrten in die Berge, nach Falls Creek. Nur bleibt mir dieses Mal die Nachtfahrt die gewundenen Straßen hinauf erspart. In Glenrowan machen wir halt. Hier wurde der Buschräuber Ned Kelly gestellt. Die Australier und Kriminelle.. irgendwie kommt mir dieses “Heldentum” etwas spanisch vor.

Wir halten also bei Ned Kelly in Glenrowan an, ich knipse ein Foto der übergroßen Statue, und wir stärken uns bei Kaffee und Kuchen in den Teestuben.

In der Abendämmerung erreichen wir schließlich Chiltern. C. hat es mit dem Zeltaufbau nicht so, er läßt ein paar Strippen weg, wie wir des Nachts bemerken, als plötzlich stürmischer Wind zu Besuch kommt. So muß er im Dunkeln noch einmal hinaus und ein paar weitere Heringe festklopfen. Glücklicherweise ist der Regen nicht so heftig wie es klingt, wenn man im Zelt liegt. Er wird kaum naß und wir können weiterschlafen.

Am Morgen sieht der Himmel noch grau aus, auch regnet es ein wenig. Zum Frühstück gibt es für uns Würstchen von den lokalen Girl Guides, die mit einem Stand die Chiltern Cancer Cruise unterstützen, eine Benefizveranstaltung, die der kürzlich verstorbenen Dianne Gibbens vom nahen Wodonga gewidmet ist, Mitglied eines Auto-Oldtimer-Klubs, der ihr zu Gedenken ein Treffen veranstaltet.

Dave erzählt mir stolz, wie er einen heruntergekommenen Morris Minor aus den 50ern gefunden hat, den ein Pärchen rund um Australien gefahren hat. Er hat sich viel Mühe gemacht, diesen in einen Postwagen umzubauen, wie er tatsächlich in den 50ern in England im Einsatz gewesen ist, und wie er auf die Jagd nach Details ging, um so nahe wie möglich an das Original zu kommen. Er zeigt mir, welche Vorrichtungen bemüht wurden, um die Ladung zu sichern, besonders, weil damals auch Geld mit der Post transportiert wurde.

Ein weiteres Schmuckstück ist ein Sportwagen aus dem Jahre 1926, der noch sehr ursprünglich aussieht, Mich hat auch die Form des verchromten Auspuffs amüsiert.

Wir hatten wohl ziemlich viel Glück mit dem Regen, unweit von uns muß es wesentlich mehr gedonnert, geblitzt und geregnet haben, wie uns die Zeltnachbarn erzählen, die mit Bekannten in Bright telefonierten. Trotzdem sind auch wir betroffen, meine Fahrt wird vom hin und her des Scheibenwischers begleitet.

Schließlich halten wir in Gundagai. Das Essen war nicht so berauschend, das Laufen durch die in den 30ern des 19.Jahrhunderts gegründete Stadt interessant, dank der Schilder, die die Geschichte beschreiben. Eines erinnert an eine der Fluten, im Jahre 1852, als der Murrumbidgee zum wiederholten Male über die Ufer trat. Lokale Ureinwoner retteten mit ihren aus Baumrinde gebauten Kanus weiße Siedler, sonst wäre die Zahl der Ertrunkenen noch höher gewesen. Immerhin starben 78 (oder gar 89?) der damals etwa 250 Einwohner.

Das im Straßenbild zu sehende Family Hotel ist zumindest bis in das Jahr 1858 zurückzuverfolgen, das andere Foto zeigt das Gebäude einer Bank, das im Zuge des Goldrausch von 1864 gebaut wurde.

Auch E. fährt uns durch den Regen entgegen. Wir beschließen, in Canberra nach Unterschlupf zu suchen, und finden diesen in einem Motel an einem Golfklub. Ich lasse mir das Abendbrot mit aus Melbourne mitgebrachtem Aufschnitt schmecken, auch E. erreicht unser Nachtquartier, wir schwatzen und alle freuen sich auf eine Nacht  im warmen Bett. Zeltaufbau ist für den Morgen geplant, wenn sich hoffentlich der Regen  verzogen hat.

Ein ganz normaler Arbeitstag

..im Herbst, bei etwas über 20 Grad, blauem Himmel, weißen Wölkchen.

Morgens radele ich zur Arbeit, überlege kurz, welchen Weg ich nehme, durch kleine Gassen von Port Melbourne nach South Melbourne. An der Clarendon Street mache ich halt, kaufe mir die Zeitung, eine kurze minimalistische Unterhaltung mit der großgewachsenen jungen netten Inderin im Tante-Emma-Laden, dann geht es weiter zum Büro.

Zum Mittag geht es hinaus ans Meer, ein paar junge Frauen sind mit ihren kleinen Kindern am Strand. Ein kleines Mädchen möchte mit den Kindern ihrer Nachbarfamilie Freundschaft schließen. Sie wird von ihrer Mutter zweimal zurück “in den Schoß” getragen. Ich fand das schade.

Es gibt kaum Wind, daher kaum Wellen. So glänzt das Wasser glatt in der Sonne. Grün ist es. Das Schwimmen ist erholsam. Dieses Jahr habe ich bis jetzt noch keine Quallen gesehen. Dafür hat es vor kurzem ein Hai, knapp zwei Meter lang, in die Bucht geschafft. Er hat aber keinem etwas angetan. Trotzdem wurden wir am Strand von Hampton, ein paar Vororte weiter unten an der Bucht, von Lifesavern aus dem Wasser gescheucht. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste..

Am Abend habe ich für uns zuhause gekocht. Es gab Hühnerkeulen mit Erbsen und Möhren und Stampfkartoffeln. Die Tüften waren halt anders nicht zu gebrauchen, wir warten auf die neue Ernte.

Wie gesagt, ein ganz normaler Arbeitstag. Immer noch mit einem Stückchen Paradies in meinem Leben hier downunder.