Ab in die Wüste

Letztes Wochenende waren wir, Q und ich, auf dem Weg in die “Wüste”, die Little Desert. Wie genau das aussieht, wußten wir beide nicht.

Wir setzten uns ins Auto und fuhren nach Nordwesten, wo fast 1000 km entfernt Adelaide, die Hauptstadt von South Australia liegt. Hier ist öfter mal verkehrte Welt, nach Norden zu fahren, um in Südaustralien anzukommen ist eine Seltsamkeit.

In mehrfacher Hinsicht ist der Landstrich dem norddeutschen Auge vertraut. Die Grampians liegen auf der linken Seite des Highways, eine Gebirgsketteninsel im flachen Lande, welches sich danach endlos auszudehnen scheint. Die Getreidefelder sind abgeerntet, gelbe Stoppel, manchmal bereits umgepflügte braune Erde. Durch die Landschaft fahren riesengroße LKWs mit der Aufschrift “Fertiliser” – mit Dünger. Ab und an knorrige Bäume säumen die Straße. Immer wieder sind Getreidesilos zu sehen, manche von ihnen wurden mit Malereien verziert. N’Hill hat nach örtlicher Auskunft das größte Zementsilo der südlichen Hemisphere.

Wasser wird seltener. Die Wimmera fließt nach Norden. Sie ist ein Fluß ohne klar definierte Mündung. Sie fließt durch einige Seen und füllt diese in Zeiten mit viel Regen, ansonsten sind diese oft trocken. Dabei verausgabt sie sich und versickert auf dem Weg zum Murray River, dem größten Fluß Australiens.

Wobei das mit dem Verschwinden bei solchen Flüssen so seine Sache ist. Oft geht es unterirdisch weiter, feuchtet die Erde an und tritt ab und an auch wieder hervor. Das geht recht langsam vor sich. Europäische Siedler versuchten oft, solche Flüsse zu kanalisieren. Das funktioniert aber nicht wirklich gut, wenn es selten, aber dann recht kräftig regnet. In solchen Fällen wird dem Wasser die Möglichkeit genommen, sich langsam zu verbreiten und den Durst der Tiere und Pflanzen zu löschen. Stattdessen rauscht das Wasser im Kanalbecken schnell ans Meer und geht dem Lande verloren.

Wir haben die Wimmera bei Dimboola fließen sehen und waren an den zwei Seen, die nördlich der Little Desert von der Wimmera gefüllt werden. Im nördlichen von beiden, dem Lake Albacutya, stellten wir das Auto an der West Beach, dem Weststrand,, ab. Von Wasser war zunächst keine Spur. Die “Seeoberfläche” war ausgetrocknet, Sträucher und kleinere Bäumchen hielten sich wacker. Von oben, in der Ferne, konnten wir dann doch noch eine Wasserfläche erspähen, in der Mitte der ein paar Kilometer großen Senke.

Weiter südlich, am Lake Hindmarsh, war es anders. Der See hatte sich zu 30 Prozent gefüllt, haben mir Einheimische erzählt. Ich nahm an, dass wir durch Jeparit an den See gelangen wurden. Dr.Google hatte andere Pläne für uns, da wir vom Norden kamen. Für wohl zwanzig Kilometer ging es Feldwege entlang, und mehr als einmal erzählte ich unserem betagten Stadtauto, dass es in Wirklichkeit einen Allradantrieb hat. Oft waren die Fahrrinnen tief eingefahren und in der Mitte ragte hartes Gestrüpp nach oben und bürstete das Auto von unten. Dort lang zu fahren war ein Spaß mit Nervenkitzel. Der “Straßenname”, Lake Road, Seestraße, war vielversprechend, das wars aber auch. Schließlich hielten wir das Auto an und wanderten auf die baum- und buschbestandene Hügelkette hinauf. Tatsächlich sahen wir dahinter Wasser in der Sonne glitzern. Ein paar mannshohe Kängerus hoppelten vor uns davon, es zwitscherte hier und da, ein Schwarm von rosafarbenen Galahs zog vorbei. Wir liefen bis an das Wasser heran. Da der See nicht voll war, ging es über den morastigen Boden, bis wir aufgaben. Einige der Pflanzen kennen wir, da sie auch nahe unserer Strände von Melbourne wachsen.

 

Ein weiteres Mal ging es für uns an den Seestrand am Pink Lake von Dimboola. Hier füllt das Wasser eine salzige Senke. Beim Wanden knirschen die Salzkristalle unter unseren Füßen, der See selbst liegt rosa vor uns. Auch hier ist Vogelgezwitscher zu hören.

Unser Zuhause war für diese Tage die Little Desert Natur Lodge. Hier trafen wir drei Frauen, die sich der Beobachtung von Vögeln hingaben, als auch dem Fotografieren. Sie hatten gewaltig aussehende Kameras dabei, bestückt mit Teleobjektiven von 400 mm und mehr. Wir hatten weder derartiges  Equipment noch Ahnung, wie man damit umgeht, deshalb sind meine Fotos mehr oder minder vogelfrei.

Mit einer Ausnahme: George, das Emu, dem die Lodge gehört. Der metergroße Laufvogel lief auf dem Grundstück herum und genas das grüne Gras. Mick zufolge ist er der Müllvernichter des Hauses und isst so ziemlich alles, was er so findet, außer Tomaten, die er nicht mag.

Vicky und Mick sind die neuen Betreiber der Lodge. Zuvor hatten sie eine Geflügelfarm zum Eierlegen. Wir waren ihre ersten Gäste , bevor sich die Lodge mit weiteren füllte. Als wir abfuhren, war z.B. eine Gruppe von Landwirtschaftsstudenten aus Geelong dort. Vicky und Mick waren sehr nett. Mick ist aus Yorkshire, dem Norden Englands. Seine Mischung aus Dialekt und Nuscheln war etwas schwierig zu verstehen, aber irgendwie verstanden wir ihn. Dass selbst seine Ehefrau meint, ab und an würde sie nur lächeln und nicken, wenn sie nichts versteht, beruhigte mich ein wenig. Es lag also nicht nur an meinen Ohren.

Die “Little Desert” ist keine Sandwüste wie die Sahara, sondern eine recht trockene Landschaft, die mit niedrigen Büschen und Bäumchen bestanden ist. Da der Boden sehr nährstoffarm ist, bleiben die Pflanzen nur Zwerge. So wird die Banksia, die anderswo bis zu 6m hoch wird, hier nur hüfthoch. Ich finde das Wandern durch diese Landschaft sehr schön. Für manche ist es wahrscheinlich zu unspektakulär. Ich finde solche Wanderungen abwechslingsreich. Je nach Wasser- und Bodenbeschaffenheit wechselt der Wuchs, es gibt mindestens 50 Variationen des Wortes “grün” und außerdem  gibt es immer mal wieder Vögelchen zu beobachten. Das kann man auch an den Wasserlöchern an der Lodge tun. Manchmal saß ich nur da und guckte mir das Hüpfen und Federspreizen eines kleinen Blue Wrens an. (Hier ein Beispiel: https://www.fncr.org.au/wildlife/birds/blue-wren/ )

Wir fuhren zu einem kleinen Ort namens Rainbow. Ob es was mit der gleichnamigen Kleinstadt einer Ferienserie namens “Bed of Roses” zu tun hat? Die Antwort: Nein. Dafür haben wir die erste Kneipe des Landes gesehen, die nach unserem neuen König Karl/Charles III. benannt ist.

Ansonsten haben wir noch Jeparit besucht, der Geburtsort Robert Menzies.

Hier trafen wir Simone, die, wie ihr Ehemann, aus Stralsund stammt und kurz nach der Wiedervereinigung nach Australien auswanderte. Ihr Ehemann schlief im Scooter, während wir mit Simone redeten. Er hatte vor kurzem einen Schlaganfall. Die beiden waren aufs Land gezogen, da sie Angst vor mehr Covid-Ausgangssperren in Melbourne hatten. Sie ist nicht geimpft. Covid hat doch erhebliche Spuren in ihrem Leben hinterlassen, auch wenn sie sich nicht infiziert hat, wie es scheint. Wir redeten auch über einen Flug nach Deutschland mit Southern China, den sie zu zweit mit Tochter gebucht hatten. In Guangzhou gab es Huddeleien mit dem Weiterflug, der sie Nerven gekostet hat. Das kann ich mir vorstellen, so ganz einfach ist das mit der Völkerverständigung auf chinesischen Flughäfen nicht. Mit dem Englisch ist das so eine Sache, und mit Autoritäten eine andere..

Das kleine Dorf Jeparit, derzeit mit etwas mehr als 600 Einwohnern, hat, wie so viele Orte des Landes ein Mahnmal für die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkrieges, oft später erweitert für die Soldaten anderer Kriege, an denen Australien beteiligt war. Sie sind in der Regel eher gesetzte Erinnerungsstätten. Wohl haben von John Howard an in den letzten zwei Jahrzehnten Politiker versucht, ein wenig Patriotismus aus der Bevölkerung heraus zu pressen, so recht gelungen ist es ihnen aber nicht. Australier sind keine Heldenverehrer.

Etwas verwirrt hat mich die Ergänzung: Korea 1939 – Vietnam 1945. ? Ich vermute, das muss man anders lesen: 2.Weltkrieg 1939-1945, Koreakrieg und Vietnamkrieg.

Robert Menzies, ein konservativer Politiker, war von 1939 bis 1941 als auch von 1949 bis 1966 Ministerpräsident Australiens. Seine Eltern waren nach Jeparit gezogen, um einen general store, den Gemischtwarenladen des Ortes zu übernehmen.

Ich habe vor kurzem eine Episode gelesen, die mit ihm verbunden ist. In den Dreißigern war er Verkehrsminister des Bundeslands und daher “Herrscher” über die Bahn. Reg Ansett etablierte einen Frachtverkehr mit LKWs im Nordwesten des Landes, wo wir gerade waren, zwischen Horsham und Ballarat. Menzies reagierte gegen den ungewollten Wettbewerb für die Bahn mit einem Verbot privater Fuhrunternehmen. Reg Anzett reagierte, in dem er eine Fluglinie gründete. Flugunternehmen unterstanden der Bundesregierung, Menzies konnte dagegen nichts ausrichten.

Zunächst waren Passagierflüge untersagt. Auch dagegen fand Reg Anzett eine Umgehung: Er deklarierte die Flugzeuge als fliegende Obstläden. Für etwas mehr als 2 Pfund konnte man an Bord und im Flugzeug Obst kaufen. Nebenbei kam man so von Stadt zu Stadt.

Dieses “Kein Bergbau”-Schild konnte ich zunächst nicht einordnen. Wie es aussieht, gibt es Interesse am Sandabbau von Zirconium. Mehr kann ich dazu aber nicht sagen.