Kein Mensch sollte von mir erwarten, eine detailgetreue Beschreibung der Melbourner Lockdowns abzuliefern. Angeblich gab es sechs davon, und wir sind Weltmeister, mit irgendwas über 250 Tagen bis jetzt, ich glaube das mal denen, die da mitgezählt haben. Für mich wird das in der Erinnerung alles etwas verschwommen, weite Teile der Jahre 2020 und 2021 waren ziemlich gleichförmig. Wobei das nicht wirklich stimmt, es gab eine Menge Variationen. Das Kamasutra der Melbourner Lockdowns verzeichnet Ausgangssperren, die mal ab sieben, mal ab acht, mal ab neun Uhr am Abend zuschlugen, der Ausgangsradius war mal auf fünf, dann auf zehn und dann auf 25 km beschränkt, es gab schöne Wortschöpfungen wie die vertikale Nahrungsaufnahme (am Tresen stehen), mal dies mit Maske, mal ohne das.. kann keiner sagen, es war eintönig. War es aber doch. In der Regel bin ich morgens aus dem Haus geradelt, zum einen war mein Arbeitsplatz weniger als 5km von zuhause entfernt, auch war ich mit einem Schrieb bewaffnet, der mich als systemrelevanter Arbeiter auswies, habe auf der Arbeit alleine den Tag verbracht und bin dann nach Hause geradelt. Je nach Lage und Vorschrift bin ich ab und an ein wenig mit dem Fahrrad durch die Gegend gedüst, in den letzten Monaten auch einen Morgen pro Woche mit freundlicher Begleitung, bin schwimmen gegangen, ins Meer, in ein Schwimmbecken im Freien, wenn es ging, oder.. tja, das wars fast schon. Die Lockdowns fanden ja vorallem in den Wintern statt, wo es kühl und öfter auch mal grau ist, und abends ist es früh dunkel. Die Footyklubs sind auf die anderen Bundesländer ausgewichen, die weniger vom Virus betroffen waren. Wir haben stattdessen Footy im Fernsehen gesehen. Das Finale fand letztes Jahr in Brisbane, dieses Jahr in Perth statt.
Natürlich gab und gibt es auch hier Impfgegner (und Demos). Trotzdem, die Lockdowns und Beschränkungen , und vielleicht einfach nur die Vernuft und die Angst vor dem Virus haben dafür gesorgt, daß doch die meisten geimpft sind. In Victoria liegt die Impfquote bei deutlich über 90 Prozent. Ich hoffe, damit werden wir jetzt von dem Schlimmsten verschont. Im Moment ist ja Sommer, da ist es nicht so heftig. Trotzdem, Omicron verbreitet sich hier auch sehr schnell. Am 4.Januar werden meine Frau und ich in der Apotheke praktisch vor dem Haus das dritte Mal geimpft.
Auf Arbeit habe ich mit einer Arbeitsgruppe zu tun, die über Neuseeland und Malaysia verstreut ist, und habe Kollegen in den Philippinen, in Vietnam, in Indien, Mauritius, England, Frankreich.. nicht alles war zu allen Zeiten gleich, aber alle hatten über die zwei Jahre mit dem Virus zu kämpfen.
Das zu hören, relativiert auch. Es ist ja immer einfach zu glauben, daß man es bei sich ganz besonders schlimm erwischt hat. das kann ja denn doch nicht überall sein. Ich kann schon sagen, daß mir der Virus auf den Keks geht – wem nicht? – aber so ganz schlecht geht es uns denn doch nicht..
Wie auch immer, schön geht anders..