Von Heywood ging es wieder zurück nach Hause. Wir machten noch einen Halt in Torquay und hatten ein recht ansehnliches Mahl im RACV Resort. Es sah alles sehr vornehm aus. Unsere Tage in Heywood waren sonnig gewesen, nun regnete es.
Da, wie gesagt, New South Wales zum unerreichbaren Ausland erklärt wurde, hatte ich einige Buchungen zu widerrufen. Geplant hatten wir, auf dem Rückweg aus Sydney einen Stop in Bairnsdale einzulegen. Stattdessen sind wir nach einigen Tagen zu Hause direkt dorthin gefahren und blieben dort eine paar Tage.
Bairsdale liegt vielleicht etwa 3 Autostunden östlich von Melbourne in Gippsland. Gippsland, eine teilweise recht bergige Landschaft, ist grüner als der Westen Victorias um Heywood, in dem es doch recht staubig ist und vorallem Getreide gedeiht, so scheint mir. Gippsland ist hingegen die Heimat glücklicher Kühe. Oder so, dies ist ein persönlicher Eindruck, der sicher etwas genauerer Betrachtung bedarf.
Wir sind immer mal wieder nach Gippsland oder durch Gippsland gefahren, und ich erinnere mich auch an viel Wald und an größere Landstriche, die von Waldbränden heimgesucht wurden. Davon blieb Gippsland den Sommer 2020/2021 weitgehend verschont. La Nina, ein Wasser- und Strömungsphänomen im südlichen Pazifischen Ozean, welches ab und an auftritt, ließ diesen Sommer regnerischer und kühler als gewöhnlich sein.
Bairnsdale, an einem Fluß gelegen, der Mitchell River heißt, ist ein Ackerstädtchen. In den 1860ern profitierte es von Goldfunden in der Umgebung, seitdem vorallem von der Besiedlung, um Ackerbau und Viehzucht zu betreiben. Am Fluß hängen Kolonien von Fledermäusen in den Bäumen, und die Stadt ist durch den nicht mehr genutzten Wasserturm, ein in den 1930ern gebautes Gericht im Tudor-Stil und eine katholische Kirche geprägt.
Ich war doch verblüfft, als ich diese betrat. Von außen wirkt die Marienkirche in ihrem romanischen Stil schon etwas italienisch. Sie wurde 1913 eingeweiht. Natürlich findet man weder hier noch anderswo in Australien mittelalterliche Kirchen, sie sind alle “neo”. Trotzdem sieht das Innere der Kirche doch beeindruckend aus.
Francesco Floreani, geboren im Jahre 1899 in Udine, nahe Venedig, hatte in Turin Malerei studiert. Er verließ 1928 Italien, Frau und kleine Tochter, um in Australien sei Glück zu versuchen. Zunächst konnte er in Melbourne sein Geld mit der Malerei verdienen, die Weltwirtschaftskrise, die auch um Australiemn keinen Bogen machte, zog ihm aber den Boden unter den Füßen weg. Er zog aufs Land und fand zeitweise Beschäftigung als Erbsenpflücker.
Eines Tages, im Jahre 1931, machte er sich auf den Weg zur Marienkirche und klopfte an die Tür des Pfarrers, um Arbeit bittend. Vater Cremin gab ihm zwei Statuen, deren Bemalung gelitten hatten. Floreani reparierte sie zu seiner Zufriedenheit.
Der Pfarrer war von seiner Arbeit angetan, und ließ ihn drei Jahre lang das Innere des Gebetshauses bemalen. Maria ist der Erinnerung an seine Frau entsprungen, seine kleine Tochter, die erst als Teenager nach Australien kam, ist ebenfalls zu finden, wie der Maler selbst, dert Pfarrer und einige der Schulkinder der Stadt, die den Engeln ihr Gesicht leihen. Drei jahre lang malte er, auf recht provisorischen Gerüsten, mit gefüllten Fässern als Basis. Im Jahre 1937 wurde die Kirche erweitert, und Francesco Floreani hatte neue Arbeit.
Ich hatte das Vergnügen, mir diese Geschichte von einer Angestellten der Kirche erzählen zu lassen, die mich auf diese oder jene Gestalt an Wand und Decke hinwies. Dann strömte eine größere Gruppe Neugieriger hinein und ich trat wieder auf die Straße hinaus, ließ Italien hinter mir und war wieder unter der heißen Sonne Australiens.