In Melbourne, genauer in Flemington, findet jedes Jahr am ersten Dienstag im November das Pferderennen statt, “the race that stops the nation”, das Rennen, währenddessen die Nation den Atem anhält, wie es so schon heißt: Der Melbourne Cup. Tatsächlich berichteten mir Leute aus Sydney, mit denen ich am Tag darauf sprach, daß sie um drei Uhr die Arbeit ruhen ließen, um das Rennen zu schauen.
Nun, wir haben das Rennen dieses Jahr ignoriert und sind hinaus zu den Goldfeldern gefahren, nach Ballarat und Umgebung. 1951 brach in Victoria wie in New South Wales das Goldfieber aus. Wohl hatte man schon vorher Gold gefunden, aber die Funde waren sporadisch, und die Regierenden hatten kein großes Interesse. Warum, kann man sich mit Governeur Charles La Trobe erklären, der sich nach dem Ausbruch beklagte, daß es keine Arbeiter mehr in Melbourne gäbe, da jeder alles stehen und liegen ließ, um sein Glück mit der Goldsuche zu suchen.
Auf der Hinfahrt verließen wir kurz vor Ballarat die Schnellstraße und fuhren nach Creswick. Den vergangene Reichtum der Stadt läßt sich an den viktorianischen Gebäuden links und rechts der Hauptstraße ablesen, an Hotels, Postamt und Banken. Creswick ist auch der Geburtsort der Künstlergeschwister der Lindsay-Familie, unter ihnen Norman Lindsay, Schriftsteller, Karrikaturenzeichner, Maler und Bildhauer.
Er verewigte seine Geburtsstadt in dem Roman “Redheap”, in dem er sich über die wohlgesitteten Bürger seiner Heimatstadt lustig machte. Das Werk war den Einheimischen gar nicht recht und landete erst einmal 30 Jahre auf der Liste der Zensoren.
Wir hatten einen schönen Frühlingstag erwischt und beendeten diesen Ausflug mit einem Spaziergang um den St.Georges Lake, einen künstlich angelegten See, um die Wasserersorgung der Stadt und der Goldmühle zu sichern. Das passierte um 1895. Die Stadt hatte damals 25 000 Einwohner heute sind es etwas mehr als 3000.
Es war ein schöner Spaziergang und erinnerte mich etwas an Ausflüge an Seen in meiner alten Heimat, in Mecklenburg.
In Ballarat konnten wir unter anderem sehen, was der Sturm, der am Freitag davor durch unsere Weltgegend gefegt war, an Schaden angerichtet hatte. Der Botanische Garten war geschlossen, wir konnten umgestürzte Bäume sehen. Diese Frühlingsstürme sind nichts Ungewöhnliches, ich glaube aber, dieser Sturm war etwas heftiger als gewöhnlich.
Auf der Rückfahrt schauten wir uns Clunes an, wo 1851 in Victoria der Goldrausch began. Wir plauschten mit den im Sonntagsstaat sitzenden Rentnern, die gemeinsam das Pferederennen im Fernseher anschauten und darauf wetteten. Ich fotografierte das Denkmal für die im 1.Weltkrieg Gefallenen, ein einsamer Soldat, Gewehr bei Fuß, stellvertretend für all diese Denkmäler, die es praktisch in jedem australischen Orte findet. Die meisten sind sehr ernste Angelegenheiten, nicht von Heldentum, sondern von Trauer geprägt. Der Weltkrieg kostete vielen vielen jungen Australiern das Leben.