Umzug, Auszug, alles neu

Letzten Sonntag waren Qian und ich in Hastings. Ein wunderschöner Nachmittag, fand ich. Nach dem Bogenschießen fuhren wir dorthin und aßen in der Pelican Society am Segelhafen.Es ist Frühling, es blüht, wie hier z.B. ein bottle brush, ein Flaschenbürstenbaum, in dem sich oft bunte Papageien verstecken.

Qian übte im Orte ihre Fotografie.  Sie lernt von einer Rentnerin aus Hongkong, die Klassen sind in kantonesisch. Ich machte mich auf, hinter der Bucht durch die Küstenlandschaft zu wandern. Das flache Wasser und das Ufer ist für hundert Meter und mehr ins Land hinein bewachsen, von Mangroven und Schilf. Dazwischen ziehen Enten und Schwäne ihre Bahn. Der Pfad ist zumeist ein Holzsteg, der auch mit dem Rad befahren kann. Wenn dies auch Australien ist, weit weg von der Ostsee, so kommt mir doch jede Küstenlandschaft vertraut vor. Der Charakter ist schon ähnlich – robuste Pflanzen, dem Wasser, Wind und Salz ausgesetzt.

Die Bucht heißt übrigens Western Port, auch wenn sie im Südosten der Stadt liegt. Hier ist mal ein Schiff aus Sydney kommend umgedreht, bevor Melbourne gegründet wurde.

Auf meinem Spaziergang kamen nur wenige Menschen entgegen, am Ende holten mich zwei junge Frauen ein. Sie boten mir an, mich auf dem Rückweg in den Ort mitzunehmen.  Das Angebot nahm ich gern an, da ich seit zwei Stunden unterwegs war. Ich hatte mir Zeit genommen, was gut war. Ich brauchte es auch als Ablenkung vom Alltag.

Die letzten Wochen galten dem Umziehen und Ausziehen.

Sarah wohnt dieses Jahr in Berlin. nun zog auch Connor aus dem Haus, in die gemeinsame Wohnung mit Freundin. Sie haben nun ein kleines 2-Bett-Raum-Appartment in einem Hochhaus nahe der Innenstadt. Eine kleine Wohnküche, ein Schlafzimmer, in dem neben Einbauschrank eigentlich nur Platz für das Bett ist, ein weiteres, in dem zwei Tische stehen, für Spiel und Arbeit am Computer. Das war’s auch schon. Aber ich vermute, die jungen Leute sind darinnen glücklich. Hoffe ich zumindest.  Connor kommt gleich zum Mittag vorbei.

Der Umzug war simpel, nicht ganz so einfach der unsere. Wir hatten einen 2-Jahres-Vertrag in einem recht großen Haus mit Garten. Es galt auszuziehen, da der Sohn des Eigentümers mit Familie dort einziehen möchte. Ursprünglich wollte dieser alles abreißen lassen, nun wird wohl doch ins alte Haus eingezogen. Hoffentlich bleibt vom Grün hinter dem Haus etwas übrig. Wir hatten hinterher etwas Beschwerde, weil es so unordentlich sei – vor allem die losen Blätter störten ihn. Die kommen u.a. von dem großen schönen weißrindigen Eukalyptusbaum, der vom Nachbar herüber ragt und er beschneiden möchte. Natur kann ganz schön stören.

Für uns hatte das Haus durchaus Schönes, auch wenn es im Schatten der Nachbarn, deren Haus höher gebaut wurde und uns so die Morgensonne nahm. So war es schon ein Eispalast. Wenn es draußen einstellig wurde, waren auch drinnen morgens nur knapp 10 Grad. Die dünnen Glasscheiben und kleine Undichten trugen auch dazu bei.

Wir hatten vor einiger Zeit eine Wohnung in deinem kleineren zweistöckigen Haus aus den 60ern erworben, in dem 14 Partien wohnen. Diese Erdgeschosswohnung ließen wir renovieren. Dazu kam die ganze Sowjetunion zusammen. Der Boss war aus Litauen, die Handwerker und Zuarbeiter Ukrainer und Russen.. hießen Wladimir und Iwan.

Fleißig wurde an dem Appartement gewerkelt. Wir ließen nichttragende Innenwände abreißen, neue Fenster – Doppelglas deutscher Herkunft –  und Türen einbauen, eine neue Küche, neues Bad, neuer Holzfußboden – eine Menge neu, die Wohnung hatte einige Jahrzehnte ohne größere Beachtung hinter sich. Wir wollen diese Wohnung wirklich zu unserer umgestalten und darin hoffentlich noch mehr als nur ein paar Jahre gemeinsam verbringen.

Ich vermute, der neugestaltete Grundriss ist etwas ungewöhnlich. Nahe des Eingangs gab es ein kleines Zimmer, welches wir ganz entfernt haben. Die Küche war im Wohnzimmer – sie wurde in das Schlafzimmer nach hinten raus verlegt. So wurde aus einer 2-Schlafzimmer-Wohnung eine Keinschlafzimmerwohnung. Das Bett ist ein einer Nische und wird durch freistehenden Schirm oder Schiebetür verdeckt – das finden wir noch heraus. Dank des Quilts meiner Studienfreundin Elke sieht es auch offen hübsch aus. Ich habe vor Ewigkeiten zwei japanische Holzregale mit verglasten Schiebetüren erworben, Qian hat aus China unsere Sitzecke aus Holz mit Couchtisch organisiert, der ich Polsterkissen verpasst habe – das steht nun auf dem mittelbraunen Holzfußboden vor noch kahlen weißen Wänden. Ein guter Anfang, auch wenn es noch etwas möhlig ist.

Die Idee dieser Einrichtung kommt aus der Erfahrung, dass wir sehr häufig in der Küche “leben”. In der Vergangenheit hatte es aber auch mit der Heizung zu tun – im Winter war es in der Küche schnell warm zu kriegen, während es sich nicht wirklich lohnte, das große Wohnzimmer oder das ganze Haus zu heizen.

In der Wohnung brauchen wir derzeit keinen Heizer. Bei fünf Grad am Morgen waren es 18 Grad im Hause, bei 30 Grad draußen 22 drinnen. Wenn das so bleibt, bin ich zufrieden.

Die Küche, hier gezeigt als Suchbild mit Katze, hat die große Arbeitsplatte zum Fenster hin, was ich sehr schön finde.

Das große runde Loch ist nicht etwa ein Geschirrspüler – es ist die Waschmaschin. Das Bad ist nicht sehr groß. Aber…

der “Star” der Wohnung. Ich war ja der Meinung, warum der Aufwand, da ist man maximal eine halbe Stunde am Tag? Qian teilte diese Meinung gar nicht. Ich muss zugeben, die blauen Kacheln und die rahmenlose Dusche sehen gut aus. Bei letzterer hatte ich zum Anfang mulmige Gedanken – es sind praktisch zwei riesige acht Millimeter dicke Glasscheiben, ein paar Schrauben an einer Seite und Silikon auf der Erde.. nun, soll halten, sagte Richard, der es einbaute. Er sah übrigens etwa wie Bernd aus – und hatte genau wie dieser etwas Beruhigendes. “Mach Dir mal keine Sorgen. Das Glas ist 36-mal gehärtet, d.h. es hat die Stärke eines 30-Zentimeter-Glases. Und wenn es denn doch mal brechen sollte, zerfasert es in kleine runde Steinchen, wie eine Windschutzscheibe.” Na denn kann ja gar nichts mehr schief gehen..

Ein wenig muss ich noch selbst werkeln, auch kommt noch hier und da ein Handwerker für die letzten Handgriffe vorbei – es ist noch etwas unruhig. Aber das legt sich hoffentlich bald.

Ich hatte beruflich einigen Stress. Mein Team ist unterbemannt, und der/die/das nächste Audit rückt näher. Wir brauchen ordentliche Disaster Recovery, also, hüpf, Hase, hüpf! Tja, als Ossi habe ich gelernt, wie man aus Sch**** Bonbon macht, das war denn hier auch hilfreich. Die in unserer Internetpräsenz in Europa haben wir geschafft, einmal nach Deutschland, dann zurück nach Frankreich.

Jetzt muss ich das ganze auch noch in Australien durchexerzieren. Aber erst einmal habe ich in einen dieser Brocken noch 256 Gigabyte Speicher eingebaut, jetzt hat er einen Terabyte. Die ganze Aktion muss ich noch an zwei Rechnern wiederholen.

Diese beiden Dinge, neue Wohnung und Arbeit, haben mich die letzten zwei Monate ausreichend beschäftigt. Ich muss zugeben, manchen Abend kam mir mein Gehirn ziemlich gegrillt vor, für all zu viel anderes hatte ich keinen Nerv.

Am Freitagabend die Woche zuvor sind wir zu zweit zum irischen Filmfestival, eine Hommage an einen Pub in Dublin, der nach der Pandemie seine Pforten schloss, anzusehen. Diese Kneipe war über Jahrzehnte Heimstatt irischer Volksmusik, praktisch jeden Tag spielte jemand dort. Wir haben übrigens in Melbourne den irischen Pub The Drunken Poet, in dem auch so ziemlich jeden Abend was los ist, und viele andere Kneipen, in denen gespielt wird. Der irische Akzent im Dokumentarfilm ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, ich kann mich aber dran gewöhnen. Ich vermute öfter, dass unsere Aussies hier einen irischen Einschlag haben. Genetisch sowieso, von den ersten Gefangenen an kam irisches Blut nach Australien.

Mit Musikern, die nach Australien kommen, ist es ein wenig weniger geworden nach der Pandemie, glaube ich. So war es schön, einen Abend in der Innenstadt mit einer Band von hier, einer aus den USA und eine aus Sheffield in England zu hören. Letztere heißt Rolo Tomassi und macht laut Wikipedia Mathcore, was immer das heißt. Härteres Zeug, aber abwechslungsreich, mit Sängerin, die ebenfalls vielseitig ist. Fand ich toll. Ich stand wie üblich neben dem Mischpult, weil man dort gute Chancen hat, guten Sound zu erhaschen. Auch gibt es dort einen Geräuschpegelmesser, und der ging nur ab und an über 110 Dezibel hinweg. Ich konnte sogar nächsten Tag wieder was hören.

Apropos hören: Durch das Internet bin ich auf einen Musiker – genauer gesagt ein paar Musiker:innen – gestoßen, die eine meiner Meinung großartige Platte gemacht haben. Ich habe die Rohfassung hören können, was mir eine Freude war. Bei “Schall und Stille” gibt es bald was Neues – ich schreibe mehr, wenn es denn “draussen” ist. Ich vermute, es wird hier zu finden sein: https://schallundstille.bandcamp.com/

Zum Abschluß dieses Artikels noch ein paar Bilder aus Melbourne. Zunächst der Strand bei Sandringham und eine Wandmalerei dort am Transformatorhäuschen:

ein Foto aus dem Botanischen Garten von St.Kilda, wo ich gern ab und an wandere, auch wenn es nach dem Umzug ein paar Minuten weiter weg ist,

und zum Abschluß ein Blick vom Strand von Port Melbourne, wo wir bis vor zwei Jahren wohnten,  auf den Hafen, das Webbs Dock.

Tja, da fallen mir meine Eltern ein, mit denen ich das Foto gern geteilt hätte.  Oder telefoniert..

So bleibt es hier bei diesen Zeilen. Mit Gruß an alle Freunde, Verwandten und Bekannten, die dies hier lesen – bis bald hier und anderswo!

Fußballfieber und ein toller Film: Head South aus Neuseeland

Wieder einmal ist eine Woche vorbei. Wenn ich mal von hinten anfange, dann war ich zum Fußball mal nicht im Stadion, sondern im Young & Jackson Pub gegenüber der Flinders Street Station. Ich kam zum Ende eines Spieles der Bulldogs in Ballarat, welches lange auf der Kippe stand, bis sie im letzten Viertel deutlich in Führung gingen und schließlich gewannen. So konnte mein Freund Peter, ein Fan der Doggies, das nächste Spiel etwas gelassener anschauen. Die Saints mussten keine Hilfestellung mehr geben, die Bulldogs hatten es ins Finale geschafft.

Die Carlton-Supporter hingegen waren unter Stress. Das Spiel im Docklandsstadion war durch sie gut besetzt, wir hatten beschlossen, es in der Kneipe zu schauen. Auch hier waren St.Kilda-Fans deutlich in der Unterzahl. St.Kilda machte es Carlton nicht leicht und waren fast das ganze Spiel in Führung, auch wenn es für sie um nichts mehr ging – sie waren zu viele Punkte von den ersten acht Teams, die Finals spielen werden, entfernt.

Wohl etwa fünf Minuten vor dem Ende war es soweit, Carlton hatte gedrückt und gedrückt und ging in Führung. Diese hielten sie bis.. tja, 12 Sekunden vor Schluss. St.Kilda schoss das entscheidende Tor. Bedrückt gingen die Carlton-Fans nach Hause. Sie waren vorher so sicher gewesen, dass sie in den Finals erscheinen werden.

Sie sollten später Erleichterung erfahren – Freo, die Rivalen aus Westaustralien, verloren ihr letztes Spiel, und Carlton blieb Achter.

Hier geht es zu den letzten zwei Minuten “im Fernsehen”: http://youtu.be/XurzcE11_t0

Nun ist erst einmal eine Woche kein Fußball, bis in 14 Tagen die Finalspiele beginnen. Für St.Kilda ist die Saison zu Ende. Schade, sie haben sechs der letzten acht Spiele gewonnen. Ich kann mich entspannen. Ich werde wohl mit Peter zum ersten und hoffentlich nicht letzten Finalspiel ins MCG, den Melbourne Football Ground gehen.

Vor dem Spiel hatte ich ein wenig Zeit und habe mich in der Innenstadt in den kleinen Gassen, wie der AC/DC Lane, umgesehen, in der es Graffiti gibt, die etwas über unsere Stadt sagen. Malcolm Young von AC/DC, Julian Assange, Fußballerinnen, Indier und ihre Begeisterung über Cricket finden an den Wänden ihren Ausdruck.

Auf dem Nachhauseweg vom Footy wurde ich von einem Gewitter eingeholt und kam so nass nach Hause. Es wird langsam Frühling, der aber unbeständig ist. Sonnenschein, Regen, Blitz und Donner und Regenbogen – alles ist möglich.

So erschien mir die Melbourner “Berlinale”, die Filmfestspiele, doch schon etwas spät. Es war nicht mehr ganz so winterlich. Ich ging in den Film Head South, einen Film über Punkmusik in Neuseeland. Das war, was ich wusste, bevor ich in den Film ging.

Was für ein Film!, dachte ich, als ich nach der Frage/Antwort-Runde nach Hause ging.

Der Regisseur Jonathan Ogilvie nannte es einen “kleinen Film”. Ich denke, genau das machte diesen Film so gut. Es war kein Film über die Sex Pistols, die Clash oder The Undertones. Es spielte nicht in London, auch nicht in New York, LA oder Berlin. Es war ein semi-autobiographischer Film, in dem die Punkszene von Christchurch, Neuseelands “zweiter Stadt”, der größten Stadt der Südinsel, eine Rolle spielt. Es war ein Film über junge Leute, die ihren Weg suchten und cool sein wollten, ohne es wirklich zu sein.

Aber genau das machte sie cool: Nicht der Hang zur Perfektion, sondern irgendetwas tun. Und wenn’s nur ist, um es “den Anderen” zu zegen oder ein Mädel oder halt ‘nen Jungen ins Bett zu kriegen. Auch wenn man sich vielleicht doch davon macht, wenn sich herausstellt, dass da jenseits der schönen Beine nicht alles zum besten steht.

Ed Oxenbould, der Angus spielt, hat für den Film vier Akkorde gelernt. Für Punk braucht man bekanntlich nur drei, er war also absolut überqualifiziert, wie der Regisseur bemerkte. Was der junge Mann aus Brisbane auch lernte, war Kiwisprech, den Akzent der Neuseeländer. Als “spätlernender Aussie” fiel mir das gar nicht so auf.

Ich konnte in diesem Film so manche Parallele zu meiner Jugend erkennen – und das wird wohl vielen so gehen, egal wo sie aufwuchsen. Jugend und die Suche nach einem Weg, der nicht unbedingt der gradlinigste ist – das findet sich überall.

Trotzdem bestach der Film auch durch das “strikt lokale”. Für den Zweidekaden-Melbourner war das die kleinen Häuser, teils aus Holz, die Gassen, die Schuluniform und anderes “universal downunder”, für den Kiwi oder jemenden, der in Christchurch aufgewachsen ist, gab der Film sicher noch mehr Lokales daher.
Hier mehr über den Film: https://www.nzonscreen.com/title/head-south-2024/overview

Soweit für heute!

Reisen durch Melbourne, die Welt und in die Zukunft

Sonntagnachmittag in Glen Waverly, welches ein Kollege früher mal als sein “Malaysian Ghetto” bezeichnete. Erinnerungen an Frühzeiten, als C. hier die chinesische Samstagschule besuchte, oder – wenn auch nicht örtlich, das war in Clifton Hill – S. die deutsche Samstagsschule. Die Eltern hatten von etwa neun bis zwölf Zeit für sich und warteten. Einkaufen, rumschlendern, mit anderen Eltern schwatzen oder einfach Zeitung kaufen und lesen.

Heute habe ich etwas Zeit, auf Q zu warten. Frühmorgens wartete sie auf mich, als ich mit dem Bogen schoss. Sie ging ins nahegelegene Einkaufszentrum, während ich mich unter makellos blauem Himmel darum bemühte, möglichst viele Pfeile in die goldenen Mitte der Scheibe zu unterzubringen, mit mäßigem Erfolg.

Jetzt ist Q in der Bibliothek zu einem privat organisierten Unterricht im Fotografieren. Eine Freundin aus Schulzeiten, die ebenfalls in Melbourne gelandet ist, kennt eine Fotografin aus Hongkong. Jetzt werden die vier Frauen nebenan auf kantonesisch über Kameras und Photoshop reden, während ich in der Bibliothek am Fenster sitze, neben mir eine ganze Reihe Menschen an ihren Laptops. Sehr viele oft schwarzhaarige junge Menschen, so wie die junge Chinesin, vermutlich Unistudentin, mit Herzchen und einem “Bonjour”-Sticker am Bildschirmrand. Es sind aber auch Menschen anderer Herkunft zu finden, wie ein “mittelalterlicher” barhäuptiger Mann mit brauner Haut, ein wenig an einen Freund erinnernd, der u.a. karibische Vorfahren hat. Ich sah Muslims, junge Mütter, Kopftuch tragend, etwas dunkelhäutigere asiatische Gesichter, vermutlich aus Südostasien.. Als “weißer Mann” bin ich hier in der Minderheit.

Die Bibliothek hat auch ein wenig Deutsches zu bieten: Bild der Frau, Brigitte, die Bunte, Stern und Spiegel. Letzterer hat einen Habeck mit kaputter Wärmepumpe auf dem Foto. Ich glaube, wenn ich etwas Seriöses lesen möchte, bin ich dieser Tage wohl mit Brigitte besser bedient.

Zu Mittag waren wir im Laksa King. und Q und ich bestellten den Namensgeber der Gaststätte. Laksa ist eine Suppe, die in Südostasien weit verbreitet ist. Die Variante aus Malaysia, die anfangs dank der Gewürze etwas im Hals kratzte, basiert auf einer Sauce, die dank der Kokosmilch recht sahnig wirkt. Die darin schwimmenden Nudeln werden von den Einheimischen mit Stäbchen gegessen. Nach zwanzig Jahren Melbourne habe ich das langsam drauf.

Ein weiterer Tag in unserer Reise durch Melbourne, um die Welt in 80 Küchen. Gestern mittags waren wir nach dem Einkauf auf dem South Melbourne Market im Tipsy Village, einem polnischen Restaurant, welches sich auf Pierogi  spezialisiert hat, osteuropäische Teigtaschen. Unsere waren mit geräucherter Makrele und zum Nachtisch mit Erdbeeren und Rhabarber gefüllt. Leider war Peter aus Polen, der sonst mit seiner Frau, die, so glaube ich, aus den Philippinen stammt, uns bedient, nicht da. Er war krank. Seine Frau hofft, dass er den nächsten Tag, heute, wieder auf dem Damm ist. Heute ist Vatertag und sie hatte schon einige Reservierungen. Wir wünschten ihm alles Gute.

C hat mich heute morgen mit einem großen Vatertagsgeschenk überrascht. Als Student macht er ein Praktikum in einer Bank und verdient schon ganz ordentlich. Ich bekam Beanie und Schal in passender hellgrauer Färbung und einen schönen blauen Pullover. Toll!

S war gestern mit ihrer Mama, Stiefvater und Stiefbrüderchen zu Gast, wir hatten sie zum Abendessen eingeladen. Sie hatten gestern noch an einem gestickten Deckchen gearbeitet, für meine Mutter, die leider im Krankenhaus weilt. Am Dienstag mache ich mich auf die Reise, mit diesem Deckchen und ein wenig anderem im Gepäck. Mittwoch morgens komme ich in Kopenhagen an und dann geht’s mit Bahn nach Nyköbing, mit dem Bus nach Gedser und mit der Fähre nach Rostock. Ich mag diesen Weg, auch wenn er nicht der schnellste ist. Ursprünglich wollte ich noch einen Tag in Dänemarks Hauptstadt verweilen und mich ausruhen. Nun haben sich die Umstände etwas verändert und ich werde wohl gleich nach Deutschland hinüberfahren.

Für S habe ich gestern abend noch eine Karte für das erste Finalspiel der Saints gekauft. Ich werde mir das am frühen Samstagmorgen in Rostock am Handy anschauen, hoffentlich auf einen größeren Bildschirm “gebeamt”. Streaming macht’s möglich.

Eine etwas andere Reise, in die Zukunft, unternahm ich am Wochenende zuvor. Im Ian Potter Museum am Federation Square in der Innenstadt, war eine Videoinstallation von den in Australien gebürtigen Liam Young zu sehen. Er stellt sich vor, das wir in einer Planet City leben, die in die Höhe wachsend uns alle beherbergt, auf 2% der Welt, während wir 98% des Planeten sich selbst überlassen, zur Regenerierung.

In einer anderen Darstellung stellt er sich vor, wie wir alle weltweit zusammen arbeiten, um mit erneuerbarer Energie CO2 aus der Luft saugen und in den Untergrund schicken, zur Langzeitlagerung.

Beide Pläne verlangen globale Anstrengungen.. ich gestehe, dazu halte ich den Homo Sapiens nicht für fähig.

Temple von Rel Pham zeigt einen “elektronischer Tempel”, mit Bildern, Arkade-Spielen nachempfunden, umgeben von einer Wand aus Computerventilatoren.

Für heute zum Abschied zwei Fotos von Melbourne: Der Federation Square, wo das Museum ist, und unterhalb der Flinders Street Station gegenüber, der Bahnsteig 12.

Wahlhelfer

Letzte Woche habe ich zweimal Wahlhelfer bei der Landeswahl für die Grünen gespielt. Dazu habe ich wie ein grüner Wiggle im T-Shirt vor dem Wahllokal gestanden und “how to vote” – Wie zu wählen  – Karten verteilt. Die anderen Wiggles trugen rote T-Shirts – Labor, blau – Liberals, lila – Tierschutzpartei oder orange – Georgie, eine unabhängige Kandidatin, die auf dem South Melbourne Market einen Kartoffelstand betreibt.

(Hier die Wiggles, eine australische Band, die KInder unterhält und so knallbunte Shirts trägt wie wir als Wahlhelfer – Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wiggles_on_stage_2022.jpg , Autor: MontereyJim)

Wir brauchen hier diese “Wahlhilfen”, da das System ziemlich kompliziert ist. Wer 50% der Stimmen bekommt, hat den Wahlkreis gewonnen und seinen lokalen Kandidaten ins Parlament geschickt. Das schafft selten jemand mit der Erststimme. Daher gibt es Präferenzen. Man sagt also, wen man statt seines Kandidaten als nächstbesten wählen würde. Wenn der bevorzugte Kandidat Letzter, also draußen ist, gehen die Stimmen an den nächstbesten. Man muss alle Kandidaten durchnummerieren, vom ersten bis zum letzten.

Bei uns ist das Rennen – wie fast überall – eines zwischen Labor und Liberalen. Hier, wie öfter in der Innenstadt von Melbourne, haben auch die Grünen eine Chance. Letztes Mal gingen die meisten Stimmen an den liberalen Kandidaten, aber da die Grünen Dritte wurden, gingen ihre Präferenzen an den Laborkandidaten, der so den liberalen überholte und die Wahl gewann.

Martin Foley von der Labor Party, den Sozialdemokraten Australiens, war für lange Zeit, wohl für zwanzig Jahre, der lokale Abgeordnete aus meinem Wahlkreis. Ich kenne ihn auch als Vater von Kindern an der Schule, in die auch meine Kinder gingen. Unter anderem habe ich mit ihm bei einer Quizrunde am Tisch gesessen – ein netter Abend-  und auch so ab und an mit ihm geredet. Er genießt großes persönliches Ansehen, denke ich. Während der Pandemie wurde er Victorias Gesundheitsminister. Das war sicher nicht einfach. Vielleicht hat das dazu beigetragen, daß er nicht wieder antritt.

Das Rennen ist recht offen. Nächsten Samstag ist Wahltag. Da, wo wir diese Woche standen, kommen Leute, die früher wählen wollen. Wir alle, rot oder blau, grün oder lila, standen am Eingang Spalier. Der Platz ist ein Hochhaus direkt neben einer Baustelle, gegenüber auf der anderen Seite der Albert Road ist es grün, Palmen und dahinter, etwas weiter, der See im Albert Park, um den herum jedes Jahr im März der Formel-1-Grand-Prix stattfindet. Wo wir stehen kommt die Sonne leider nicht hin. Am Donnerstag war es richtig kalt, der Wind fegte mal wieder aus der Antarktis rüber, das war nicht schön. Auch kamen nicht viele zum Wählen. Am Samstag stand ich fünf Stunden dort, und das Wetter war gnädig. Erst ein wenig grau, erwarteten alle Regen, der aber nicht kam. Stattdessen klarte es etwas auf und der Himmel wurde blau. war auch nicht mehr ganz so kalt wie zwei Tage zuvor.

Egal, welche Farbe wir trugen: Es werden Kekse geteilt, wenn der Wind ein Schild umschmeißt, stellt der nächste es wieder auf, und Gespräche sind freundlich. Wenn es – was bei politisch interessierten Wahlhelfern unvermeidlich ist – um  Politik geht, bricht man ab, wenn’s zu kontrovers werden sollte. Rot und Blau beschmeißen sich in ihrer Wahlwerbung gegenseitig mit Lehm (die sollten sich was schäm’ ;-), bei uns am Wahllokal ging es trotzdem friedlich und kollegial zu. Das freut mich.

Ungeplanter Umzug ohne Beteiligung meiner Person (soweit)

Ich hatte beschlossen, für drei Monate nach Deutschland zu fliegen. Es waren vier Jahre vergangen, seitdem ich Familie und Freunde und Europa besucht hatte.

Der Termin ließ sich am 1. Oktober festmachen, an dem Tag, an dem sich meine Mitstreiter(innen) aus der Studienzeit treffen wollten. Ich plante und buchte, annehmend, daß mr Covid nicht weiter in die Quere kommen würde. Das klappte dann ja auch, und als ich in Deutschland war, erzählte mir meine Frau, daß sie sich entschlossen hatte, auch zu kommen, sie hatte auch gebucht.

Soweit, so gut.

Dann platzte die Bombe: Unsere Vermieterin will das Haus, in dem wir wohnen, verkaufen. Wir müssen raus.

In Deuitschland ist das auch nicht prickelnd, aber, so sagte mir mein Bruder, hätte man zwei Jahre, wenn der Vermieter auf Eigenbedarf klagt.

Bei uns downunder ist kein Klagen notwendig, ohne Angabe von Gründen kann gekündigt werden. Wir hatten 60 Tage. Das heißt, eine Woche nach Ankunft meiner Frau und bevor ich wieder aus Europa zurückkommen würde, mußten wir raus.

Also fingen wir zu Rotieren an und suchten nach Häusern, die uns genug gefallen würden, groß genug sind und presiswert erschwinglich. In Port Melbourne fast aussichtslos, aber wir wurden in St.Kilda East fündig. Der Umzug fand eine Woche vor dem Abflug meiner Frau statt. Ein Umzugsdienst wurde angeheuert, meine Familie – ohne mich – packte alles in Kisten und dann ging es zum neuen Haus. Ich sprach mit meiner Tochter, da ich doch einige Bücher aussortieren wollte, das war es dann auch von meiner Seite, neben ein wenig Internet organisieren.

Weite Blicke

Auf dem Weg vom Einkauf nach Hause radelte ich eine dieser langen Straßen entlang, die es in Melbourne wohl tausende Male gibt. Oft sind die ein- und zweistöckigen Häuser hinter Bäumen “versteckt”, die unsere Straßen säumen. Das können einheimische Eukalypthen sein, Bäume aus der ‘Alten Welt”, wie .zb. Platanen, Ahorn oder Kastanien, oder farbenfroh blühende Zierbäume aus aller Welt, wie z.B. Jacarandas aus Lateinamerika oder Myrtle-Bäume.

Die geraden Straßen wurden oft vor langer Zeit angelegt. Seitdem die Stadt vom Auto beherrscht wird, ist der Wunsch gewachsen, Ruhe vor dem Haus zu haben und den Verkehr auf großen Schnellstraßen zu kanalisieren. Daher sind jahrzehntelang sehr viele gewundene Straßen entstanden, die, in der Neuzeit zusätzlich mit speed humps, Huckeln, an denen man abbremsen muß, versehen, den Durchgangsverkehr abhalten sollen.

Für den Fahrradfahrer sind solche Straßen natürlich schöner. Ich bevorzuge sie und ziehe sie den auf die Fahrbahn gemalten Fahrradwegen an Schnellstraßen vor. Diese sind ja manchmal eher potentielle Todesstreifen, auf denen man sein drittes Auge auf die an der Straße parkenden Autos wirft und versucht, frühmöglichst die Autohalter zu erspähen, bevor sie die Tür öffnen, in die man dann hineinradeln darf, schnell abbremsen und so über den Lenker “abzusteigen” oder einen Schwenk zu versuchen, der, wenn man das nicht vorausgeahnt hat, einen in die Fahrspur eines vorbeifahrenden Lasters geraten läßt.

In den alten quadratisch-praktischen Vororten gibt es oft zwischen den größeren Straßen noch die dunny lanes, “Klogassen”. Im Garten stand ja früher oft das Plumpsklo, und das mußte ab und an geleert werden. Zu diesem Zwecke hat der dunny man  nachts den Zugang durch die Hintertür bekommen.

Dies sind die Gassen, mit denen ich die ersten Schuljahre meiner Kinder zur Schule geradelt bin, bis diese sich allein auf den Weg gemacht haben. Bis heute radele ich oft durch solche kleinen Straßen, die heute oft Garagenstraßen geworden sind.

Generell kann man sehr gut durch Melbourne radeln, durch solche Straßen oder aber an Flüssen und Bächen entlang, durch Parks und anderes. Melbourne ist nicht zu hügelig, obwohl man doch ab und an merkt, daß Mount Martha oder Mount Waverley doch etwas mit der Landschaft und Anstiegen (und rasantem Runterradeln) zu tun haben. Wer seine Wege zumeist mit dem Auto erledigt, hat wahrscheinlich weniger Landschaft denn Linien und Gitter im Kopf, wenn er an Melbourne denkt.

Ich denke übrigens, daß Laufen und Fahrradfahren als alltägliche Fortbewegung gut geeignet sind, um sich mit seine Umwelt und seinen Mitmenschen auseinanderzusetzen. Der Autofahrer gleitet ja doch eher einer Insel auf vier Rädern durch die Gegend, und statt Mitmenschen zu begegnen, lassen sie sich vielleicht durchs Radio unterhalten, in dem oft sogenanntes Talkback Radio läuft, wo sich frustrierte Menschen über Gott und die Welt beschweren. (Ich mach das stattdessen hier;-)  Wer das als “Volkes Stimme” wahrnimmt, wird ganz sicher ein Pessimist, was die Menschheit angeht, und davon überzeugt, daß die Anderen alle in Horden an der nächsten Straßenecke nur darauf warten, ihn des Autos zu berauben, seine Frau zu vergewaltigen und die Kinder zu ertränken.

Die Fahrradfahrer sind dabei so ziemlich die Schlimmsten. Mir fällt gerade eine Geschichte vom Anfang der Pandemie wieder ein. Zu Beginn der Pandemie wurden Masken drinnen und draußen Pflicht. Ausgenommen waren davon Sporttreibende, wie Läufer und Radler. Es gab einige praktische Witze, wie man z.B. einer Strafe entkommt: “Just do a runner”, was im Jargon bedeutet, daß man davonläuft, wörtlich aber, zum Läufer zu werden.

Mary aus Northcote veranlaßte diese Regelung zu folgendem Leserbrief:

“Vor kurzem hielt ich mit dem Auto an der Ampel an und drehte mein Fenster hinunter. Ein Radler stoppte neben mir, drehte seinen Kopf in meine Richtung und spuckte auf die Straße. Sein Gesicht war etwa 30 cm von meinem entfernt.”

Ich habe mir diese Situation so vorgestellt:

Mary fährt Auto und muß an der Ampel anhalten. Wahrscheinlich hat sie die Heizung auf Anschlag, Hitzeanwallungen oder aber einfach einen hochroten Kof nach einer Stunde Radiohören. Sonst macht man im Juli das Fenster nicht auf, es sind 10 Grad draußen.

Da kommt der Fahrradfahrer. Das Gesicht ist dreißig Zentimeter von ihrem entfernt. Mary wird wohl in einem Toorak-Traktor, einem stadttauglichen allradgetriebenen Hochsitzer, durch die Gegend fahren. Über andere Autos sehe ich als Radler hinweg.

Wie der Radler denn Mary erblickt, überkommt ihn der nicht zu unterdrückende Drang, auszuspucken. Gott sei Dank trifft die Spucke nicht Mary, sondern landet auf der Straße. Pfffh. Welche Erleichterung. Alles ist gutgegangen, und Mary kann nach Hause fahren, um über ihre near death experience, ihre Begegnung mit dem Tode, in der Tageszeitung zu berichten.

Zurück zu den weiten Blick mit viel viel Himmel. Den kann man in Melbourne wirklich sehr viel genießen.  Ob im Alltag am Meer, am Albert Park Lake nahe meiner Arbeit, vom Büro zur Innenstadt, beim Bogenschießen oder am Wochenende, wie z.B. an Arthur Seat auf der Mornington Peninsula.

Vor Jahrzehnten, als es noch keine mehrstöckigen Wohnhäuser oder Bürotürme gab, haben Stadtarchiteckten oft öffentliche Gebäude, Denkmäler und Kirchen an Sichtachsen angelegt. Davon ist in der Zwischenzeit einiges verloren gegangen, wie z.B. der Blick auf die Katholische Kirche in Middle Park, die ich entlang der Richardson Street von vielleicht einem Kilometer Entfernung sehen konnte. Vor vielleicht zehn Jahren wurden in der Straßenmitte Bäume geplanzt, die jetzt diesen Anblick der Kirche verstecken.

Von der South Melbourne Town Hall, dem Rathaus von South Melbourne, kann man die Straße hinunter zum Shrine of Remembrance gucken, ein Mahnmal für gefallenene Soldaten. Heute sieht er etwas eingezwängt aus.

Zum Abschied für diese etwas weitschweifige Glosse ein Nachtbild: Einsamkeit am Abend. Ich habe etwa eine Viertelstunde an einem Vorort auf die Bahn in die Stadt gewartet, aber außer vier jungen Leuten, die aus mir unverständlichen Gründen aus einem mitgetragenen Lautsprecher Achtziger-Jahre-Musik spielten, war keine Menschenseele zu sehen.

Die Bahn war dann typisch spätstündlich spärlich besetzt. Im Kontrast zu beschwerenden Wortmeldungen habe ich an diesem Abend, wie oft, wenn ich mit  Bus und Bahn unterwegs bin, festgestellt, daß die meisten Passagiere Masken tragen. Ich selbst habe mich inzwischen daran gewöhnt, beim Betreten geschlossener Räume diese anzulegen. Ich betrachte es als schützende Höflichkeit, so wie man die Hand vor den Mund hält, wenn man hustet. Wenn’s nicht nützt, schaden kann’s auch nicht. Und es soll Schlimmeres geben als Maskentragen.

April, April, der weiß nicht, was er will

Wir haben mal wieder eines dieser Frühlingswochenenden, an denen es regnet und die Sonne scheint, die Sonne scheint und es regnet. Manchmal alles zur gleichen Zeit und dann gibt es einen Regenbogen, wie an diesem Freitag, als ich im letzten Tageslicht nach Hause radelte. Es ist Oktober, und, da hier im Süden alles ein halbes Jahr später (oder früher?) passiert, ist unser Oktober der April der Nordhalbkugel.

Meine Garderobe lichtet sich zusehends. Nach zwei  Wintern im Lockdown sind so einige Kleidungsstücke ausgefranst, durchgescheuert, angerissen. Wenn sich dann die freie Welt des Einkaufs öffnet, gibt es auch anderes zu tun, wie zu verreisen oder Freunde treffen oder ins Konzert gehen oder.. Einkaufen findet bei mir relativ unregelmäßig statt und ist eher ein Zeichen von Langeweile als ein Bedürfnis. An Langeweile hat es in den letzten Monaten nicht gemangelt, an Einkaufsmöglichkeiten schon. Ich bin aber auch kein großer Freund des Online-Shoppens. So lichtet sich nun meine Garderobe.

In den nachsten Tagen werden wir Melbourner den Weltrekord an Tagen in Lockdown übernehmen. Der steht bei 245 Tagen und wird von Buenos Aires gehalten. Hochrechnungen ergeben, daß wir dadurch ca. 30 000 Menschenleben in Melbourne gerettet haben.

Es hat erstaunlicherweise letztes Jahr weniger Selbstmorde als üblich gegeben. Es wird vorallem auf erhöhte Sozialleistungen zurückgeführt. Leben mit “Newstart”, inzwischen “Jobseeker” genannt, ist ziemlich lausig und angesichts ständig steigender Mieten kein Zuckerschlecken. Viele, die darauf angewiesen waren, berichten, daß sie sich z.B. mal ein neues Paar Schuhe gekauft haben, was sie sich sonst nicht leisten konnten.

Im Moment ist in der Hinsicht so ziemlich alles beim Alten. Unsere Bundesregierung ist halt “konservativ”, wie es so schön heißt. Wobei ich das eher als “von gestern” übersetzen würde..

Ein wenig hat mich diese ganze Pandemie an 18 Monate Armee erinnert, die ich als junger Mann in der DDR ableisten mußte. Für die letzten Tage gab es ein Maßband von 150 cm Länge, an dem Tag für Tag ein Zentimeter abgeschnitten wurde. Ich kann mich an meine damalige Laune nicht mehr erinnern, aber am Ende stand ein “Endlich!” So geht es mir jetzt. Es wird geimpft, und geimpft, und wir durchbrechen alle paar Wochen neue “Schallmauern” und dürfen dann ein bißchen mehr. Hier in Melbourne rechnet man mit 70% Doppeldosen um den 26.Oktober, mit 80% um den 5.November, und dann soll es halt so halbwegs normal werden. Wir werden sehen.

Derzeit ist es uns erlaubt, 15 km von Zuhase zu “verreisen”, und meine Frau und ich haben dies zu einem Samstagmorgenausflug nach Elsternwick ausgenutzt. Der Name “Elster” stammt tatsächlich aus dem Deutschen. Der australische Farmer und Politiker Charles Ebden hat hier Mitte des 19.Jahrhuderts ein stattliches Anwesen errichtet und es “Elster” genannt, sowie eine seiner Farmen “Carlsruhe”. Geboren in Südafrika, am Kap der Guten Hoffnung, erhielt er seine Bildung in England und in Deutschland, in Karlsruhe.

Es war Samstag, Sabbat für die nicht unbeträchtliche Zahl orthodoxer Juden, die so in ihrem “Sonntagsstaat” zu sehen waren, schwarze Anzüge, schwarze Hüte, Kippas. Etwa ein Sechstel der Bevölkerung des Staddteils ist jüdisch, was man auch in den Geschäften und Gastsstätten an der Einkaufsstraße merkt. In Elsternwick und angrenzenden Stadtteilen, wie St.Kilda und Caulfield, haben viele Auswanderer aus Mittel- und Osteuropa, die vor den Nazis geflohen sind, ein neues Zuhause gefunden. Für mich ist es ein Paradies fürs Essen “wie Zuhause”, ob Gulasch, Brot oder Kuchen.

Am Straßenleben merkte man kaum, das wir noch im Lockdown sind, Autos stapelten sich hinter der Straßenbahn, die langsam durch die Glenhuntly Road zuckelte, Menschen flanierten vor den zweistöckigen Geschäftshäusern. Unten ist das Geschäft oder Cafe, darüber Lagerraum oder Büro, oder ab und an auch noch, wie wahrscheinlich zur Entstehungszeit, die Wohnung der Ladenbesitzer. Das ist aber inzwischen sehr selten geworden.

Wir haben in einem Imbiß Falafel, Hommus, Hühnerflügel, Falafeln und Salad mit Rotkohl gekauft. An der Wand hingen Karten vom Nahen Osten und Bilder von Jerusalem, wir warteten und ich blätterte in einem Fotobuch überToledo. Zum Essen durften wir nicht bleiben, so sind wir in eine Seitenstraße gewandert und haben uns auf den Kantstein gesetzt. Ganz wie in meiner Jugend in Budapest, wenn wir gerade genug hatten, um uns Essen im Supermarkt zu kaufen, aber nicht genug, um in eine Gaststätte zu gehen. Die Welt und die Gründe ändern sich, aber manches wiederholt sich doch.

Seit heute ist hier nun Sommerzeit, es bleibt eine Stunde länger hell. Die Zeitdifferenz zu Deutschland beträgt im Sommer 10 Stunden, im Winter nur acht. Das gilt für Melbourne und Sydney, die Bundesländer Victoria und New Sough Wales. Die Queensländer im Norden haben keine Sommerzeit, sind nun also eine Stunde von uns “entfernt”, Adelaide ist immer eine halbe Stunde zurück, und Westaustralien mit Perth gar zwei, im Sommer drei Stunden. Am Highway durch die Nullarbor Plains liegt Eucla, und dort, in the middle of nowhere, in der Mitte des großen Nichts, stellen sie die Uhren gegenüber Perth um 45 Minuten vor. Diese Zeitzone gibt es aber offiziell gar nicht.

Was sich aber heute nicht geändert hat, ist die Ausgangssperre. Um neun Uhr abends müssen wir zuhause sein, für noch ein paar Wochen. Seufz..

Das Ende der Saison

Gestern nachmittag, auf dem Nachhauseweg mit dem Rad, färbt sich der Himmel leicht bedrohlich graublau ein, und es riecht nach Schnee. Der fällt zwar nicht wirklich in Melbourne,  was das Ganze nicht besser macht. Eisiger Regen durchnäßt langsam meine Jacke.

Das Wetter wäre für die Western Bulldogs im diesjährigen Grand Final gut gewesen. Nur findet dieses auch dieses Jahr nicht in Melbourne statt. Das MCG steht leer neben dem Yarra, ich bin gerade einen Tag zuvor mit einem Bekannten daran vorbeigeradelt. da war nichts los. Das Ende der Footysaison findet in Perth statt, zwischen uns und dem Austragungsort liegt fast ein ganzer Kontinent, unter anderem der(die, das?) Nullarbor Plain, eine Wüste ohne Bäume, mit einem der längsten Straßenabschnitte der Welt ohne Kurve, 145km, 90 Miles Straight. Es klingt romantisch oder extrem langweilig, das ist sicher Ansichtssache. Ich bin diese Strecke noch nicht gefahren, auch nicht mit dem Indian Pacific, dem Zug. Im allgemeinen mag ich die australische Weite, sie ist mir bis jetzt selten langweilig geworden.

Schnee gibt es tasächlich immer noch in Australien, in Falls Creek noch fast einen halben Meter davon, ich habe heute nachgeguckt. Vor einem Monat wäre dort der Hoppet gewesen, und ich hätte mit anderen Helfern am Washbed Creek gestanden und warme Getränke an vorbeisausende ambitionierte Skiathleten oder and verschnaufende Freizeitskier ausgeteilt. Am Beginn der Schneesaison schrieb mich Sue vom veranstaltenden Birkebeiner Club an, ob ich wieder helfen wolle, und ich habe ihr mit einem vagen “ich weiß nicht so recht” geantwortet. Man mag sich in dieser Zeit nicht so recht festlegen, und so blieb es dabei. Im August wurde es klar, daß auch dieses Jahr, das zweite Mal in Folge, nichts aus dem Skimarathon wird. Sue saß in Sydney fest und konnte nicht nach Hause. Sie macht das beste daraus und amüsiert sich mit ihren Enkelkindern.

In Perth hingegen ist es warm, und die Stadt hat dieses Jahr die Möglichkeit, vor 60 000 Zuschauern das Footy-Endspiel auszutragen. Spannend war es, die Doggies waren auch zur Halbzeit in Führung, in der großen Pause sangen die Birds of Tokyo, eine bekannte australische Band, die hier zuhause ist, und bis zur Hälfte des dritten Viertels sah es für die ‘Dees”, die Melbourne Demons, gar nicht gut aus. Dann aber kamen sie in Fahrt, und am Ende waren sie nicht zu stoppen. Zur Freude von Bruce, der seit ganzes Erwachsenenleben auf eine Meisterschaft seines Klubs gewartet hat, seit 1964. Einen Wermuttropfen hat es trotzdem: seit Jahrzehnten ist er zahlendes Mitglied des MCC, des Melbourne Cricket Clubs, der das MCG begründet hat, und auf dem Alteingesessene ihre Neugeborenen auf die Wartelist setzen, damit sie als Erwachsene Mitglied werden können. Natürlich wäre er dieses Jahr gern im Stadion gewesen, wenn sein Klub endlich mal gewinnt.

Moreland: Die Bahn geht nach oben

Seit heute dürfen wir Melbourner uns aus unserer 5km-Umgebung herauswagen. Was meine Frau und ich auch getan haben. Ich habe sie auf eine Magical Mystery Tour geschickt, wr sind mit dem Fahrrad nach Norden geradelt, bis an die Grenze unserer 10km, die wir nun bereisen dürfen. Ansonsten sind der Melbournerin nun Picknicks erlaubt. Was ihr bei vielleicht 15 Grad, starkem Wind und gelegentlich Schauer ein müdes Lächeln entlockt. Das Picknick haben wir uns später auf. Heute haben wir uns mit einer kleinen Pause und einer Schachtel Keksen gegenüber der Bahnstation Royal Park, wo der Melbourner Zoo zuhause ist, begnügt.

Hinaus aus unserem Wohnviertel ging es durch die Docklands, ein in den letzten 20 Jahren entstandenen Neubauviertel mit vielen Hochhäusern. Von dort wollte ich den Moonee Ponds Creek, ein kleines Bächlein, unter den Stelzen, auf denen der Tullamarine Freeway, eine Mautstraße zum Flughafen, ruht, entlang radeln. An der Autobahnabfahrt zur Innenstadt, wie an anderen Straßen, die in die Stadt führen, stand polizei und kontrollierte. Die Bahn selbst war am morgen stillgelegt worden. Der Grund: eine Demo von “Freiheitskämpfern”, die mit den derzeitigen Beschränkungen, dem Impfen und dem Leben im allgemeinen und im besonderen nicht zufrieden sind. Ich sag nur: Freier Fall für freie Bürger.

Nicht das mir das Leben mit Lockdown 6.0 nicht auf den Wecker geht. Aber das ist eine andere Geschichte und soll heute nicht mein Thema sein. Nur so viel: Es hat auch mein geistiges Leben etwas lahmgelegt, Energie und Laune befinden sich nicht unbedingt auf höchstem Niveau.

Der Fahrradweg am Moonee Ponds Creek ist mir sehr vertraut, vier Jahre lang bin ich ihn entlang zur Arbeit nach Kensington geradelt. Heute habe ich aber Kensington wortwörtlich links liegen lassen.

Etwas weiter nördlich weitet sich das Grün, der bereits erwähnte Royal Park kommt in Sicht. Hier ist, wie gesagt, der Zoo zur Hause, der zur Zeit mit Sicherheit geschlossen ist, wie so manches. Nach der Pause setzen wir unseren Ausflug fort, nun im wesentlichen entlang der Bahn, die nach Upfield führt. Hier hat der Fahrradweg nicht viel Platz, oft ist es nur ein kleiner Pfad eingequetscht zwischen Stacheldrahtzaun der Bahnlinie und Lagerhäusern des Stadtviertels von Brunswick.

Plötzlich kommt ein großes Wandgemälde ins Blickfeld. Jacinda Ardern, mit ernstem Gesicht, eine Muslimin umarmend, gemalt an ein mehr als zwanzig Meter hohes Silo. Es erinnert an das Massaker von Christchurch im März 2019. 51 Menschen starben, als ein gewalttätiger haßerfüllter Australier in zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch  eindrang und das Feuer eröffnete.

Für mich symbolisiert dieses Wandgemälde einen signifikanten Unterschied zwischen meiner derzeitigen Heimat und unseren Nachbarn jenseits des Tasman. Ich hätte keinen aus unserer Bundesregierung für fähig gehalten, eine echte menschliche Regung zum Ausdruck zu bringen. Der derzeitige Ministerpräsident hat unter anderem als Minister für Einwanderung die Verunmenschlichung dieses Landes vorangetrieben.  Das Wandgemälde ist für mich aber auch ein Ausdruck meiner Heimatstadt und seiner Kultur und Haltung.

Schließlich erreichen wir die Moreland Station, einen neuen Bahnhof. Das alte Backsteingebäude, wie seine Geschwister an der gleichen Linie aus viktorianischer Zeit, aus dem 19. Jahrhundert stammend, sitzt unterhalb der Bahn, die sich hier in die Lüfte erhebt. Die Landesregierung hat in den letzten Jahren bisher ca. 50 Schranken entbehrlich gemacht, an denen die Autos, Fahrräder und Menschen warten mußten, während der Zug durchfuhr.

Das Projekt stieß zunächst auf viel Ablehnung. Von Verschandelung des Stadtbildes war die Rede, von Ängsten, Anwohner könnten ihre Privatsphäre verlieren, wenn der Zug über ihre Hintergärten hinweg fuhr. Diese Stimmung, sicher auch von unseren rechtsgerichteten Revolverblättern und privaten Fernsehstationen geschürt, hat sich doch geändert. Unter den Gleisen sind Parks entstanden, Spielplätze, Skateparks, Basketballfelder und mehr, und Stadtteile, mehr als 100 Jahre durch die Bahntrassen getrennt, sind nun miteinander verbunden. 1911 wurden auf Drängen der Einwohner 270 Bäume neben dem Bahnhof gepflanzt, dieser Park wurde später Gandolfo Park genannt, nach dem ersten Bürgermeister von Coburg, 1968, gewählt, der nicht von den Britischen Inseln stammte. Es ist erfreulich, daß sich heute mehr Grün dazugesellt.

Die Inspiration für die Namen der Stadtteile, Brunswick – Braunschweig – und Coburg ist die Herkunft und Abstammung des englischen Königshauses. Es bedurfte des 1.Weltkrieges, daß sich dieses von seinem deutschen Namen, Haus Sachsen-Gotha und Coburg, verabschiedete und  sich seitdem Haus Windsor nennen, nach einem ihrer Schlösser. Wenn man Engländer ärgern möchte, dann erzähle man ihnen, daß sie von deutschen Einwanderern regiert werden.

Wir nehmen uns Zeit, die Umgebung des Bahnhofes zu erlaufen. Kleine cottages, weatherboard houses, weißgemalte Holzhäuser, und hundert Jahre alte Steinhäuschen, umsäumen die Seitensstraßen, es grünt und blüht der Frühling in den Vorgärten. Brunswick und Coburg waren keine Stadtteile der Reichen. Das fanden auch die Missionsschwestern vom Heiligsten Herzen Jesu, die Missionary Sisters of the Sacred Heart aus Hilstrup, Münster. 5 Missionsschwestern wurden 1928 nach Melbourne gesandt und gründeten hier ein Krankenhaus, welches 1939 an der Moreland Street seine Pforten öffnete.

Nach dem zweiten Weltkrieg, als Australien das Ziel einer Auswanderungswelle aus der Alten Welt, noch kriegszerstört und arm, wurde, siedelten viele Einwanderer aus Italien, Jugoslawien, Griechenland, der Türkei und anderswo in Brunswick und Coburg. Bis heute prägen sie diese  Stadtteile. In den letzten Jahrzehnten zogen hier viele junge Menschen und Familien hierher. Gaststätten, Kneipen mit Live Music, Bäckereien und Cafes sind an der Sydney Road, der vielbefahrenen Hauptstraße mit der Stradßenbahn in der Mitte, zu finden. Ich versuche in einer französisch angehauchten Bäckerei Brot zu bekommen. Das ist ausverkauft. Es gibt aber Croissants und kleine Gebäckstückchen und Törtchen, mit denen wir dann vorlieb nehmen. Wenn wir kein Brot haben, können wir zumindest Kuchen essen!

Ostern 2017

.. waren wir unterwegs, E. und Familie zu treffen, wie seit Jahren üblich – wenn nicht was dazwischen kommt. Auch dieses Mal haben wir einen Treffpunkt “in der Mitte” gesucht, dieses Mal einen Campingplatz nahe Canberra, der Hauptstadt Australiens, oder auch: das hiesige Bonn (Bundeshauptstadt ohne nennenwertes Nachtleben).

Die Canberra Times vermeldete unter anderem, daß beide Eltern des “durchschnittlichen Hauptstädters” in Australien geboren sind – anders als z.B. in Melbourne, wo im Durschschnitt ein Elternteil zugewandert ist. Es bestätigt meinen Eindruck, daß Canberra sehr bleichgesichtig ist, um mal mit Karl May zu reden.

Wir machten uns am Samstagnachmittag auf den Weg den Hume Highway hinauf. “It takes around nine hours / to clear the Hume Highway” singt Tim Rodgers. Wir brauchen aber nicht so weit zu fahren, und wir haben auch Gott sei Dank nicht so einen traurigen Anlaß wie den, den er im “Paragon Cafe” beschreibt.

Trotzdem ist es schon ein Endchen bis Chiltern, unserem ersten Nachtquartier. Der Weg ist vertraut, von meinen Winterfahrten in die Berge, nach Falls Creek. Nur bleibt mir dieses Mal die Nachtfahrt die gewundenen Straßen hinauf erspart. In Glenrowan machen wir halt. Hier wurde der Buschräuber Ned Kelly gestellt. Die Australier und Kriminelle.. irgendwie kommt mir dieses “Heldentum” etwas spanisch vor.

Wir halten also bei Ned Kelly in Glenrowan an, ich knipse ein Foto der übergroßen Statue, und wir stärken uns bei Kaffee und Kuchen in den Teestuben.

In der Abendämmerung erreichen wir schließlich Chiltern. C. hat es mit dem Zeltaufbau nicht so, er läßt ein paar Strippen weg, wie wir des Nachts bemerken, als plötzlich stürmischer Wind zu Besuch kommt. So muß er im Dunkeln noch einmal hinaus und ein paar weitere Heringe festklopfen. Glücklicherweise ist der Regen nicht so heftig wie es klingt, wenn man im Zelt liegt. Er wird kaum naß und wir können weiterschlafen.

Am Morgen sieht der Himmel noch grau aus, auch regnet es ein wenig. Zum Frühstück gibt es für uns Würstchen von den lokalen Girl Guides, die mit einem Stand die Chiltern Cancer Cruise unterstützen, eine Benefizveranstaltung, die der kürzlich verstorbenen Dianne Gibbens vom nahen Wodonga gewidmet ist, Mitglied eines Auto-Oldtimer-Klubs, der ihr zu Gedenken ein Treffen veranstaltet.

Dave erzählt mir stolz, wie er einen heruntergekommenen Morris Minor aus den 50ern gefunden hat, den ein Pärchen rund um Australien gefahren hat. Er hat sich viel Mühe gemacht, diesen in einen Postwagen umzubauen, wie er tatsächlich in den 50ern in England im Einsatz gewesen ist, und wie er auf die Jagd nach Details ging, um so nahe wie möglich an das Original zu kommen. Er zeigt mir, welche Vorrichtungen bemüht wurden, um die Ladung zu sichern, besonders, weil damals auch Geld mit der Post transportiert wurde.

Ein weiteres Schmuckstück ist ein Sportwagen aus dem Jahre 1926, der noch sehr ursprünglich aussieht, Mich hat auch die Form des verchromten Auspuffs amüsiert.

Wir hatten wohl ziemlich viel Glück mit dem Regen, unweit von uns muß es wesentlich mehr gedonnert, geblitzt und geregnet haben, wie uns die Zeltnachbarn erzählen, die mit Bekannten in Bright telefonierten. Trotzdem sind auch wir betroffen, meine Fahrt wird vom hin und her des Scheibenwischers begleitet.

Schließlich halten wir in Gundagai. Das Essen war nicht so berauschend, das Laufen durch die in den 30ern des 19.Jahrhunderts gegründete Stadt interessant, dank der Schilder, die die Geschichte beschreiben. Eines erinnert an eine der Fluten, im Jahre 1852, als der Murrumbidgee zum wiederholten Male über die Ufer trat. Lokale Ureinwoner retteten mit ihren aus Baumrinde gebauten Kanus weiße Siedler, sonst wäre die Zahl der Ertrunkenen noch höher gewesen. Immerhin starben 78 (oder gar 89?) der damals etwa 250 Einwohner.

Das im Straßenbild zu sehende Family Hotel ist zumindest bis in das Jahr 1858 zurückzuverfolgen, das andere Foto zeigt das Gebäude einer Bank, das im Zuge des Goldrausch von 1864 gebaut wurde.

Auch E. fährt uns durch den Regen entgegen. Wir beschließen, in Canberra nach Unterschlupf zu suchen, und finden diesen in einem Motel an einem Golfklub. Ich lasse mir das Abendbrot mit aus Melbourne mitgebrachtem Aufschnitt schmecken, auch E. erreicht unser Nachtquartier, wir schwatzen und alle freuen sich auf eine Nacht  im warmen Bett. Zeltaufbau ist für den Morgen geplant, wenn sich hoffentlich der Regen  verzogen hat.