12 Monate in 12 Tagen – Tag 11: Ein Urlaubstag zuhause

Meine Füße brennen. Ein klares Zeichen von Sommer, und daß ich die Füße nicht eingecremt habe, bevor ich mit meiner Frau ins Kayak stieg. Die Sonnencreme war sicher im Auto, während wir uns für Stunden auf dem Fluß vergnügten.

Begonnen hatte der Tag mit dem Einschalten des Radios und Patti Smith zu hören, “Under The Southern Cross”. Was natürlich nicht der schlechteste Start in den Tag ist. Es folgte ein Song von ihrem ersten Album, und schließlich “Dancing Barefoot”. Drei Titel einer Sängerin hintereinander, das verhieß nun nichts Gutes. Patti Smith hat heute ihren 75.Geburtstag. ich hatte befürchtet, daß die Moderatorin etwas anders verkündigt. Gott sei Dank nicht, und Herzlichen Glückwunsch!

Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg nach Burnley, wo der Yarra, der “Melbourner Fluß”, an einem Park vorbeifließt und einen gehörigen Knick macht. Wir fanden ein Bootshaus, an dem wir unser Kayak ins Wasser lassen konnten, und auf ging es, drei Stunden stromaufwärts. Wir ließen es gemächlich angehen, es war ein Tag mit mehr als dreißig Grad und wir bewegten uns oft im Schatten. Es ist schon toll, durch eine Stadt zu paddeln und dabei fast zu vergessen, daß man nur ein paar Kilometer vom Stadtzentrum enfernt ist. Ich kenne den Weg am Fluß entlang und bin ihn öfter geradelt. Vom Wasser, vom Boot aus, ist es aber noch viel idyllischer. Ab und an kommt eine Brücke, darüber fährt ein Freeway oder eine Straße mit Straßennbahn oder ein Zug, und die Carlton-Brauerei summt arbeiten vor sich hin und riecht ähnlich, wie ich es aus meiner Zeit nahe der Rostocker Brauerei in Erinnerung habe.  An den Ufern von Richmond baut die Welt teure Appartmenthäuser, ab und an ist ein älteres Anwesen mit privater Anlegestelle, es gibt auch Abschnitte, an denen man keine Häuser sieht. Bäume und Unterholz und Wurzelwerk und Enten und Vogelrufe.

Da wir auf dem Wasser waren, wurden wir nicht so gegrillt, wie es ein Tag, der es wohl auf 34 Grad brachte, vermuten läßt. Trotzdem, nach drei Stunden stromaufwärts kehrten wir um, und trudelten in nur zwei Stunden gemütlich zum Ausgangspunkt zurück, packten ein und fuhren nach Hause. Danach waren wir erst einmal erledigt. Urlaub kann hart sein!

So machte sich die Familie auf ein Weg in ein uns vertrautes indisches Restaurant in Port Melbourne, ließen uns bekochen und bedienen und genossen es. Wir sind ja mmer noch auf Weltreise, in 80 Gaststätten um die Welt.

Soweit ein First World Day. Mir brennen die Füße, die letzte Stunde des Tages hat begonnen, und ich schicke dies jetzt ab. Morgen geht es auf die Zielgerade und ich berichte noch ein wenig von unseren harten Tagen in der Ersten Welt.

Good night and good luck!

 

12 Monate in 12 Tagen – Tag 10: Wie war das noch?

Alles hat ein Ende, wie es so schön heißt, und so auch unsere Lockdowns. An einem Freitagmorgen traf ich mich mit einem Freund zum Radeln, und wir endeten in der Ackland Street von St.Kilda, um einen Kaffee in einer ordentlichen Tasse und ein Stück Kuchen im Sitzen vor dem Cafe zu trinken und zu essen. Was schon ein wenig unwirklich wirkte.

In zwei Jahren Covid sind so manche Selbstverständlichkeiten merkwürdig geworden. Manches mache ich auch heute weniger, ich verzichte auf dieses oder jenes, es gab aber auch einige Dinge, die ich noch nie so richtig mochte. “Takeaways” zum Beispiel, gekochtes Essen aus dem Restaurant, oder Kaffee im Becher. Zum einen möchte ich ein Gaststättenessen oder einen Kaffee in einem Cafe oder einer Gaststätte konsumieren, das Lokal, die Leute ringsherum und das ganze “Brimborium” um Teller, Tassen und Besteck gehören dazu. Zum anderen finde ich es traurig, wenn mein Essen oder Trinken soviel Abfall produziert. Das mache ich nur in Ausnahmefällen.

Gestern fuhr ich mit meiner Familie, und habe meinen Sohn mit einer Box bei KFC “versorgt”. Das war mein erstes Drivethrough in meinem Leben.  Regeln sind dazu da, ab und an ignoriert zu werden, sonst werden sie zur Religion 😉

Nach dem Lockdown konnte man wieder mehr Freunde und Bekannte treffen. Manche habe ich kaum wieder erkannt..

Okay, das war Halloween-Dekoration. Ja, auch hier schleichen sich amerikanische Sitten ein. So lange es bei Halloween bleibt, na gut, meinetwegen.

Gestern habe ich mal wieder ein Loch in einer Hose gefunden. Ich habe dann noch eine andere gefunden, aber langsam wird es knapp.  Ich bin über zwei Jahre auch kaum einkaufen gegangen. Ich muß das jetzt nachholen, um das Bruttosozialprodukt wieder anzukurbeln. Ich bin wirklich ein schlechter Staatsbürger.

12 Monate in 12 Tagen – Tag 9: Warum in der Ferne schweifen

.. Sieh das Gute liegt so nah”, heißt es bei Goethe. Enstsprechend den lokalen Bedingungen habe ich, haben wir, versucht, aus dem Alltag und unserer Umgebung das Beste zu machen.

Eingequetscht zwischen zwei Lockdowns haben wir uns ein Wochenende Zeit und Übernachtung auf der Mornington Peninsula gegönnt. Wir gingen hinter den Dünen spazieren. Mir fällt immer wieder auf, wie sich Strandlandschaften doch gleichen können. Es sind nicht die gleichen Pflanzenarten, die bei uns hier downunder wachsen, aber hier wie in Mecklenburg wächst hinter den Dünen doch eine ziemlich resistente, von Wind und salziger Luft geprägte Pflanzenwelt.

Hier also der Autor, von Casper David Friedrich fotografiert. Das nächste Foto zeigt einen unserer Arbeitsnomaden bei der Ausübung seine beruflichen Tätigkeit in einem Cafe. Für Leute, die am Rechner sitzen, ist ja fast schon egal, wo man sitzt.

Die nächste Atempause zwischen zwei Lockdowns konnte ich einmal wieder Bogenschießen, und ich habe mir einen Montag spontan freigenommen, um ins Museum, die Nationalgalerie, zu gehen.

Es war schon etwas merkwürdig, mit Maske durch das Museum zu schweifen. Ich fand es trotzdem toll, die Prunkstücke einer Ausstellung zum Impressionismus zu sehen.

Auch diese Pause dauerte nur kurz, und wir mußten uns wieder darauf beschränken, was unsere eingeschränkte Welt so zeigte. Frühling im Garten, Ausblicke auf die Stadt, das Meer, die durchradelten Straßen der Umgebung, Williamstown, Einkaufen im Prahran Market, Ausflüge nach Moreland und Footy im Fernsehen.

Zu letzteren beiden Themen habe ich ja zuvor geschrieben. Ich denke, allein die Tatsache, daß ich darüber zeitnah geschrieben habe, sagt etwas darüber aus, daß sich meine Laune zu Ende des Lockdowns no.6 erholte. Melbourne ließ sich impfen, und so war es abzusehen, daß wir fürs erste aus dem gröbsten raus kamen.

Auch haben wir dieses Jahr Familienzuwachs bekommen. Vorhang auf für zwei Fotos, für die das Internet geschaffen wurde: Die von Katzen.

 

 

12 Monate in 12 Tagen – Tag 8: Die blaue Periode

Kein Mensch sollte von mir erwarten, eine detailgetreue Beschreibung der Melbourner Lockdowns abzuliefern. Angeblich gab es sechs davon, und wir sind Weltmeister, mit irgendwas über 250 Tagen bis jetzt, ich glaube das mal denen, die da mitgezählt haben. Für mich wird das in der Erinnerung alles etwas verschwommen, weite Teile der Jahre 2020 und 2021 waren ziemlich gleichförmig. Wobei das nicht wirklich stimmt, es gab eine Menge Variationen. Das Kamasutra der Melbourner Lockdowns verzeichnet Ausgangssperren, die mal ab sieben, mal ab acht, mal ab neun Uhr am Abend zuschlugen, der Ausgangsradius war mal auf fünf, dann auf zehn und dann auf 25 km beschränkt, es gab schöne Wortschöpfungen wie die vertikale Nahrungsaufnahme (am Tresen stehen), mal dies mit Maske, mal ohne das.. kann keiner sagen, es war eintönig. War es aber doch. In der Regel bin ich morgens aus dem Haus geradelt, zum einen war mein Arbeitsplatz weniger als 5km von zuhause entfernt, auch war ich mit einem Schrieb bewaffnet, der mich als systemrelevanter Arbeiter auswies, habe auf der Arbeit alleine den Tag verbracht und bin dann nach Hause geradelt. Je nach Lage und Vorschrift bin ich ab und an ein wenig mit dem  Fahrrad durch die Gegend gedüst, in den letzten Monaten auch einen Morgen pro Woche mit freundlicher Begleitung,  bin schwimmen gegangen, ins Meer, in ein Schwimmbecken im Freien, wenn es ging, oder.. tja, das wars fast schon. Die Lockdowns fanden ja vorallem in den Wintern statt, wo es kühl und öfter auch mal grau ist, und abends ist es früh dunkel. Die Footyklubs sind auf die anderen Bundesländer ausgewichen, die weniger vom Virus betroffen waren. Wir haben stattdessen Footy im Fernsehen gesehen. Das Finale fand letztes Jahr in Brisbane, dieses Jahr in Perth statt.

Natürlich gab und gibt es auch hier Impfgegner (und Demos). Trotzdem, die Lockdowns und Beschränkungen , und vielleicht einfach nur die Vernuft und die Angst vor dem Virus haben dafür gesorgt, daß doch die meisten geimpft sind. In Victoria liegt die Impfquote bei deutlich über 90 Prozent. Ich hoffe, damit werden wir jetzt von dem Schlimmsten verschont. Im Moment ist ja Sommer, da ist es nicht so heftig. Trotzdem, Omicron verbreitet sich hier auch sehr schnell. Am 4.Januar werden meine Frau und ich in der Apotheke praktisch vor dem Haus das dritte Mal geimpft.

Auf Arbeit habe ich mit einer Arbeitsgruppe zu tun, die über Neuseeland und Malaysia verstreut ist, und habe Kollegen in den Philippinen, in Vietnam, in Indien, Mauritius, England, Frankreich.. nicht alles war zu allen Zeiten gleich, aber alle hatten über die zwei Jahre mit dem Virus zu kämpfen.

Das zu hören, relativiert auch. Es ist ja immer einfach zu glauben, daß man es bei sich ganz besonders schlimm erwischt hat. das kann ja denn doch nicht überall sein. Ich kann schon sagen, daß mir der Virus auf den Keks geht – wem nicht? – aber so ganz schlecht geht es uns denn doch nicht..

Wie auch immer, schön geht anders..

12 Monate in 12 Tagen – Tag 7: Winter, Sport und Zeitvertreib

Nach Ostern geht es in Melbourne dem Winter entgegen. Es ist Footy-Zeit, Australian Rules Football. Ohne den ist der Winter doch um einiges trüber. Mit meiner Tochter ging ich wieder ins Stadion, und, da es Winter ist, kann ein Aufwärmen in der Irish Times nicht schaden.

Die irische Flagge bläht sich im Winterwind, seitdem ich in Melbourne lebe, und sicher etwas länger. Ich erinnere mich an einen Abend mit einer U2-Coverband, die insofern beeindruckend war, daß der Sänger nicht nur sehr nach Bono klang, sondern auch die Gestik und das Pathos des irischen Sängers verblüffend imitieren konnte. Über die Irish Times schreibend, komme ich nicht umhin, an den Drunken Poet am Queen Victoria Market zu denken. Hier ist praktisch das Zuhause der irischen Fiddle. Hingehen, Guiness oder Kilkenny trinken, der Musik zuzuhören und mit Unbekannten zu plauschen, die am Ende eines Nachmittags oder Abends nicht mehr ganz unbekannt sind – das ist der Drunken Poet.

Und dann gab es auch wieder den runden Fußball im Fernsehen und in der Kneipe: Die ein Jahr verspätete Fußball-EM. Viele Deutsche waren morgens um 2 oder um 5 nicht zu finden, da z.B. viele junge Deutsche das Land inzwischen verlassen hatten. Das letzte Gruppenspiel der deutschen Nationalmannschaft fand zeitgleich mit dem unserer Kontrahenten in der Gruppe statt. So waren Ungarn, Deutsche, Portugiesen und Franzosen gleichzeitig im Pub. Kein Problem.

Wie wir wissen, hat die deutsche Nationalmannschaft die Gruppenphase überstanden. Gerade so… Am Ausgang bekam ich den Rat, fürs nächste Spiel schnell zu buchen, da die gegnerische Mannschaft viele Fans hätte. Und wegen diesen gäbe es das nächste Spiel das Bier aus Plastebechern, nicht aus Glas. Ich war dann bei dem Spiel, welches das letzte der Deutschen sein sollte. Als die Engländer Tore schossen, tanzten Fans auf den Tischen, die ab und an umkippten, und es flogen volle, halbvolle und leere Biergläser durch den Raum.

Okay, das Letzte stimmt nicht. Es waren Plastebecher.

Inzwischen war “der Adler gelandet”. Unser Gesundsheitsminister war sehr dramatisch und beschwor die Mondlandung, als die ersten Dosen Pfitzer ins Land eingeflogen wurden. Genug, um besonders Gefährteten, wie unserem Prime Minister, eine Dosis zu verspritzen. Danach war das Ding gegessen. Scott Morrison hatte seine Impfung und für den Rest des Landes , da war er sicher, war es “not a race”, kein Rennen.

Pfitzer gab es zwar nicht genug, aber Astrazeneca, welches in Melbourne produziert wird. Ganz selten kann man davon selbst Probleme bekommen, aber da wir für ein paar Monate keinen Virus im Lande hatten – die Außenwelt hatten wir einfach ausgesperrt, mehr oder weniger – war diese Gefahr, die geringer war als die Chance, im Lotto den Jackpot zu knacken, genug, um viele vom Impfen mit Astrazeneca abzuhalten.

Meine Frau und ich haben Superhelden gleich die schönste Impfstelle der Stadt gebucht, das für eine Weltausstellung 1879/80  gebaute Royal Exhibition Building, mit seiner Kuppel dem Florenzer Doms nachempfunden. Ein paar Minuten mit ein paar Dutzend Menschen warten, Eingang, Personalien überprüfen, eine Spritze in den Arm kriegen – was, das war’s schon? – 15 Minuten warten, für den Fall der Fälle, daß ich umfalle oder mir ein drittes Ohr mit 5G-Antenne wächst, mir die Kuppel von unten angucken, Fall erledigt.

Wir kamen gerade zur rechten Zeit. Meine Tochter mußte kurz vorher ins Krankenhaus, das hat unsere Buchung ein wenig verzögert, aber kurz danach fingen die Leute an, sich um Imfungen zu drängeln.

Fortsetzung folgt.

12 Monate in 12 Tagen – Tag 6: Free Hugs

Es wurde Ostern, und das war ja mal ein halbwegs fester Termin, um meine Studienfreundin und ihre Famile zu treffen. Das haben wir seit x Jahren getan, auch wenn immer mal wieder was dazwischen kam, und dabei so einiges erlebt und vorallem erlebt, wie Familien komplettiert wurden und wie sie wuchsen und wie die Jungs und Mädels größer wurden, bis sie sich aus dem Haus in die weite Welt begaben.

Nun, dieses Mal hatten wir Glück. Mister Covid ließ uns ins benachbarte Bundesland rüberwachsen. So kamen wir in einem Tagesritt nach NSW, machten einen Abstecher und Übernachtung in Tumbawumba, und einen Tag später waren wir in Sydney. Wir durften ein Appartment in Kingsford übernehmen. Die an der Straße liegenden kleinen Cafes und Gaststätten locken sonst oft asiatische Studenten an, aber davon gibt es zur Zeit hier wenige. So wirkte Kingsfords Hauptstaße, die Anzac Parade, etwas verlassener als sonst. Die Busse, die früher häufig in die Stadt fuhren, sind durch eine Straßenbahn ersetzt worden.

Als die Pandemie ausbreitete, gab es Unterstützung für alle möglichen Firmen und ihre Inhaber, die Unis hat die Regierung von der Unterstützung ausgeschlossen. Ab und an will man sich mit intellektuellen Erungenschaften schmücken, ansonsten sind Intellektuelle nur lästig für unsere ‘konservative’ Regierung. An Unis gibt es sogar noch Gewerkschaften, das ist auch hinderlich, wenn man von Gewerkschaftshassern regiert wird. Den Studenten hat man gesagt, daß sie keiner Unterstützung würdig sind und doch nach Hause gehen sollten. Unsere Regierung müsse sich nun um Aussies kümmern. Ich frage mich manchmal, ob Aussies im Ausland auch so rüde behandelt werden, ich glaube eher nicht…

Wie auch immer, wir waren ja vorallem wegen unserer Freunde in Sydney, und für free hugs, Umarmungen umsonst. Die hat man in einer Zeit, in der man sich vor allen und allem schützen soll, ab und auch nötig. Die gab es dann auch, und Fahrten in die Stadt, mit dem Boot unter der Harbour Bridge, spazieren im Chinesischen Garten in Darling Harbour und im Botanischen Garten an der Oper, essen auf dem Balkon und Wein und Geang. Okay, gesungen haben wir nicht, geschwatzt aber schon.

Hier mal wieder eines dieser schönen Bilder, die zeigen, wie gefährlich das Leben, hier genauer das Fahrradfahren in Sydney ist.

Wir haben auch ihre Tochter in Newcastle besucht, die mit Mann und deren kleiner Tochter in einem kleinen Häuschen am Wald wohnt, und sind ans Wasser, den Ozean gegangen. Es war noch sommerlich warm. Ich bin vorher einmal nachts am Hafen vorbeigefahren, an kilometerlangen Förderbändern vorbei, auf denen Kohle, viel viel Kohle, in die Schiffsbäuche verfrachtet wird, in die Schiffe, die dann nach China und Japan und anderswo fahren. Newcastle ist der größte Kohlehafen der Welt, wenn ich mich jetzt nicht irre. Das hat weder bei unserem Besuch am Waldrand noch beim Eisschlecken in der Stadt gespürt.

Auf dem Weg nach Hause hatten wir noch Begleitung, besuchten das Paragon Cafe in Goulburn, und schließlich einen der Söhne, den es in einen Ort nahe Canberra verschlagen hat, nach Captains Flat, einem schönen kleinen Ort in einer bergigen und waldigen Gegend. Wir haben uns gefreut, bei ihm übernachten zu können. Für einen Städter ist es doch was besonderes, wenn das Licht ausgeht und es wirklich richtig dunkel wird. Leider hat ihn ein LKW vor vielleicht einem Jahr in seinem Auto ziemlich plattgedrückt, das Auto war Schrott und er hat so einige seiner Knochen gebrochen, so daß es ihm auch jetzt immer noch mal weh tut.  Alles Gute nach Captains Flat!

 

12 Monate in 12 Tagen – Tag 5: Frohe Weihnachten!

Die Arbeit des Jahres geschafft, ich war auch geschafft, das Jahr war lang, um vier war Feierabend, zuhause Heiligabend, der Weihnachtsbaum hat im Topf das ganze Jahr überstanden, Kerzen, Weihnachtsstern, die rotblühende Pflanze, eine im Dunkeln glitzernde Telefonzelle, in der Santa einschneit. Besuch ganz kurz, Süßigkeiten, Pfefferkuchen, Dominosteine, Klaviermusik im Radio, Spazierganz in der Nachbarschaft, angucken, wie sie hier einen Schneemann bauen, und gleich geht es ins Bett. Morgen früh ist Bescherung, Santa kommt des Nachts durch den Schornstein, und danach geht es zum Baden an den Strand.

Frohe Weihnachten!

12 Monate in 12 Tagen – Tag 4: Wo spielt die Musik?

Ein Jahr ohne Musik ist für mich wie ein Wasser ohne Fisch. Also habe ich mich auf die Suche gemacht, ab und an. Nicht alle Träume platzen, aber trotzdem haben so manche Federn gelassen. Von Gästen aus fremden Landen werden wir wohl für eine Weile nur träumen können. Nicht nur für die Killers war das Jahr 2021 ein Killer Year.

Aber kurz zurück zum Fisch. Wir haben den Geburtstag meiner Frau mit kantonesischer Küche in der Gaststätte feiern können. Vorallem seit Ende der Neunziger, als Hongkong von England zurück zu China ging, waren Menschen aus Hongkong auch nach Melbourne gezogen. Daher ist in einigen Stadtteilen der kantonesische Einfluß zu sehen, zu hören und zu schmecken. Später kamen viele “Mainland Chinese”, Chinesen aus der kommunistischen Volksrepublik, nach Australien. Ein nicht unbeträchtlicher Anteil davon sind junge Studenten. An Plätzen wie das von mir fotografierte Box Hill hat man das Gefühl in Asien zu sein. Die Schrift ist chinesisch, die Menschen sind chinesisch, und aus den Restaurants riecht es nach China.

Wir besuchten auch das Haus im Osten der Stadt, in dem meine Frau früher gewohnt hatte, aber statt ihres Hauses war das eine Baustelle, es wird neugebaut.

Auch zwei meiner/unserer früheren Zuhause wurden verkauft und abgerissen, heute stehen dort mehrere neue Häuser, die kleiner sind und wenig bis gar keinen Garten mehr haben. Wo wir jetzt wohnen, darf nicht einfach abgerissen werden, daher ist der von meiner Frau bewirtschaftete Garten erst einmal sicher.

Zurück zur Musik: Natürlich findet sich Musik im Radio. Und Melbourne hat die von Hörern finanzierten Kommunalsender. Wenn diese auch mit kleinem Budget und viel freiwilliger Arbeit von Moderatoren und hinter den Kulissen operieren, Geld ist wichtig.

So hat der sich auf klassische Musik – mit einem Hauch von Jazz – konzentrierende Sender 3MBS alle Einstrengungen unternommen, um den jährlichen Radiomarathon zu veranstalten, der bei der Finanzierung eine nicht unerhebliche Rolle spielte.

Er fand in einem der alten Theatern der Stadt, im Athenaeum Theatre, statt, und war Joseph Haydn, dem Vater des modernen Streichquartetts und der Sinfonie, gewidmet. Ich habe mich auf den Tag gefreut – ein ganzer Tag klassische Musik! Das hatte ich zuvor noch nie gemacht. Es war schön, einen ganzen Tag in Haydns Musik einzutauchen, die auf unterschiedlichste Weise dargeboten wurde.  Zum Teil ging es wirklich klassisch zu, mit Geigen und Flöten, es wurde aber auch geplant und ungeplant improvisiert und arrangiert.

So arrangierte ein Pianist, begleitet von einer Violinistin, ein bekanntes Thema aus dem Kaiserquartett, welches uns Deutschen sehr bekannt ist, als Nationalhymne, “Einigkeit und Recht und Freiheit”, welches bei Haydn zunächst dem österreichischen Kaiser gewidmet war: “Gott erhalt uns Franz, den Kaiser”. Was die beiden sich bei den Variationen gedacht haben, weiß ich nicht, eine davon erinnerte mich an Jimmy Hendrix, wie er das Star Spangled Banner zerschredderte.

In einer anderen Aufführung war der Star eine Orgel. Ursprünglich sollte dazu ein Chor auf der Bühne stehen, durfte aber nicht, der Covidregeln wegen (auch für uns als Gäste gab es einige zu beachten).  Die Orgel war aber schon von Sydney aus hierher transportiert worden, so arrangierte der Musiker die Stücke spontan, daß sie auch ohne Chorbegleitung gefielen.

Ich hoffe auch nächstes Jahr wieder dorthin zu gehen, und vielleicht eine oder einen meiner Gesprächspartner(innen), die ich an diesem Tage traf, wiederzusehen. Peter hat Parkinson und für ihn war es schon anstrengend. Ich hoffe doch.

Ganz anders war die Musik im “Untergrund’ in der Swanston Street, Heavy Metal und Verwandtes. Ein Abend mit einheimischen Bands, die endlich mal wieder eine Spielmöglichkeit hatten. Die Freude war deutlich zu sehen, bis auf bei einer Band, wo wir das Gefühl hatten, eines der Bandmitglieder macht sich beim Rest gerade unbeliebt. Ich würde mich nicht wundern, wenn sie das nächste Mal in anderer Besetzung auf der Bühne stehen. Ich muß aber gestehen, daß ich mich gerade an keinen einzigen Bandnamen mehr erinnern kann..

An den Namen des weiter unten abegbildeten Herren erinnere ich mich aber sehr. Es ist Tim Rogers, Gitarrist und Sänger der seit etwa zwanzig Jahren existierenden Band You Am I. Die Band hat in der Zeit der Pandemie ein neues Album eingespielt. Sie spielten Stücke davon und bekannteres älteres Material. Ihr größter Hit ist  “Heavy Heart”, welches ich einmal im Cherry Club gehört habe, gesungen von Tim Rogers begleitet von den Supersuckers. Das war vor so langer Zeit, als noch amerikanische Bands zu uns kamen.. Dieses Jahr spielten You Am I zweimal am gleichen Tag im Mai, und ich habe Karten für die “Spätvorstellung” gekauft. Die Gesichter der ersten Runnde waren begeistert. Ich glaube, beim zweiten Mal ist Tim ein wenig die Luft ausgegangen. Er mußte direkt unter einer Klimaanlage stehen, und statt geschwitzt wie sonst schien er dieses Mal zu frieren. Das ist sicher auch nicht gut für die Gesundheit. Es war dieses mal also eher ein Soso-Abend.

Im Hintergrund höre ich beim Schreiben Screaming Symfony mit Peter und Gary, eine Prog-Rock-Show bei PBS, einem anderen Kommunalsender. Peter hat einen so tollen deutschen Akzent.. heute ist er übers Telefon zugeschaltet, wegen Covid in Quarantäne. Er war als Kontakt von Infizierten registriert worden und wartet nun auf sein Testresultat. Das Leben ist doch voller Überraschungen.. Im Mai nahm ich mir mal Zeit, durch die Räume des ACMI, des Australian Centres for Moving Images, für bewegte Bilder, Fernsehen, Kino, Videospiele, zu streifen. Dieses typische Wohnzimmer der Achtziger kam mir bekannt vor. Das Haus in Sydney, welches einen Billiardtisch in der Küche hatte, wollten wir zu Silvester zu besuchen. Zu Ostern haben wir den Besuch dann geschafft, aber davon später mehr.

12 Monate in 12 Tagen – Tag 3: Ja ganz schön, nichts geschehn

Wenn ich so durch die Bilder des frühen Jahres 2021 blättere, fällt mir auf, daß nicht viel passierte. Ich hatte zwischen den Reisen nach Heywood ein paar freie Tage, an denen ich u.a. ab und an auf die Mornington Peninsula gefahren bin.

Die Mornington Peninsula liegt auf der Ostseite von Barwin Heads, der Mündung der Port Phillip Bay, unserer Bucht, und dem Südlichen Ozean. Dementsprechend gibt es zwei sehr unterschiedliche Küsten, die am Norden, zur Bucht hin, oft Strände, die z.B. Safety Beach, “sicherer Strand” heißen, da sie sandig, flach und ohne große Wellen sind, und die südliche Küste, oft hohe Klippen und die kräftigen Wellen des Ozeans.

Aber auch am Ozean gibt es ruhige Ecken. Mir gefällt z.B. die Wanderung zwischen Shoreham und Flinders. In Flinders kann man ins “Hotel”, die Kneipe gehe, Fish & Chips essen oder Kaffee trinken. Hotels sind häufig keine, sondern eben Kneipen. Früher mußte, wer eine Lizenz zum Alkoholausschenken erwerben wollte, für seine eventuell betrunkenen und der Heim- oder Weiterreise unfähigen Gäste Übernachtung anbieten. So waren zumeist im zweiten Stock Gästezimmer. Vorallem auf dem Lande ist das manchmal immer noch so, in der Stadt eher selten.

Zwischen den beiden Küsten, im Inneren der Halbinsel, gibt es bergige – oder vielleicht eher hügelige – Landschaft. Eine Erhebung wird Arthurs Seat genannt, und wer nicht hinaufwandern oder -fahren möchte, kann stattdessen die Seilbahn nehmen. In einer geschlossenen modernen Gondel kann man die 305 Meter hinauf- und auch wieder hinuntergondeln, sicherer als auf der alten, im Jahre 1960 gebauten Seilbahn. Einige Unfälle führten dazu, daß die alte Bahn im Jahre 2006 geschlossen und schließlich durch die heutige moderne Variante ersetzt wurde.

Ansonsten vergnügte ich mich mit Spaziergängen und Radeleien in der näheren Umgebung, Strand, Albert Park Lake – die Heimstatt  des nun seit zwei Jahren nicht stattfindenden Formel 1 Grand Prix, der Yarra River in der Stadt, wo gerudert wird, und ähnlichem.

Wenn wir auch unser Bundesland nicht verlassen konnten, hatten wir doch zumindest die Möglichkeit, mit Hilfe Melbourner Restaurants in 80 Gaststätten um die Welt zu reisen. Wir machten uns also auf die Reise. Im Topolino’s, einem italienischen Puzza&Pasta-Restaurant in St.Kilda, welches ich mit meiner Tochter schon besucht hatte, als sie in den Kindergarten um die Ecke ging, und, wie mir jemand erzählte, führ junge Köche nach deren Schicht oft noch Treffpunkt war, traf ich Mrs. Topolino, die Frau des italienischen Einwanderers, der vor gut 50 Jahren die Gaststätte eröffnet hatte. Sie hat lange gewartet, aber nun hatte sie endlich ersehnte Enkelkinder, wie sie mir erzählte. Ihre Kinder und Schwiegertöchter und -söhne waren zu Beginn der Pandemie im Ausland ‘stecken’ geblieben, und waren nun auf dem Weg nach Hause. Das erfreute sie sehr.

Neuer hingegen war ein “vietnamesisches” Restaurant in Port Melbourne. Ich schreibe es in Anführungszeichen, da sein vietnamesischer Inhaber sich dessen bewußt ist, daß er Küche für Australier macht. Seine Mama würde immer wieder fragen, wenn er denn endlich mal ein “vernünftiges” vietnamesisches Mahl  zubereiten würde. Neben dieser ‘modern fusion’ gibt es vorallem Cocktails, die man auch an der Bar einnehmen kann. Gazn nett, finde ich.

Ab und an habe ich oder meine Frau gebacken. Dieser Kuchen ist von mir (tada!)

An einem Wochenende radelte ich nach Brighton, einem Stadtteil nicht sehr weit weg, der ein wenig nach Geld “riecht”. Das Straßenleben sah im Februar 2021 nicht sehr nach Virus aus, und im Pub, in der Kneipe trafen sich mir zumindest vom Gesicht bekannte Cricketspieler und Anhang. Wohl lief Cricket in den Ferensehern ringsum, die wurden aber nicht besonders viel beachtet. Es wurde getrunken, umarmt und gelacht. Ab und an fiel dann ein wicket, ein Stumpen, und dann wurde gefeiert. Ich glaube, Australien hat was gewonnen.

Unser Zuhause ist nahe des Hafens und der anliegenden Industrie, so daß ein Abendspaziergang uns ab und an in diese Industrielandschaft führt.

Die Industriegegend ist als Fishermans Bend bekannt und soll ein neuer Stadtteuil voller Wohnhäuser werden. Hier ist das erste davon. Im Moment stagniert der Bau weiterer Neubauten, und viel Lagerhäuser sind nur teilweise oder ganz ungenutzte Brache.

Nun ist es Zeit für unseren heutigen Spaziergang. Einen schönen Tach noch!

12 Monate in 12 Tagen – Tag 2: Bairnsdale – Ein Stück Italien in der Kirche

Von Heywood ging es wieder zurück nach Hause. Wir machten noch einen Halt in Torquay und hatten ein recht ansehnliches Mahl im RACV Resort. Es sah alles sehr vornehm aus. Unsere Tage in Heywood waren sonnig gewesen, nun regnete es.

Da, wie gesagt, New South Wales zum unerreichbaren Ausland erklärt wurde, hatte ich einige Buchungen zu widerrufen. Geplant hatten wir, auf dem Rückweg aus Sydney einen Stop in Bairnsdale einzulegen. Stattdessen sind wir nach einigen Tagen zu Hause direkt dorthin gefahren und blieben dort eine paar Tage.

Bairsdale liegt vielleicht etwa 3 Autostunden östlich von Melbourne in Gippsland. Gippsland, eine teilweise recht bergige Landschaft, ist grüner als der Westen Victorias um Heywood, in dem es doch recht staubig ist und vorallem Getreide gedeiht, so scheint mir. Gippsland ist hingegen die Heimat glücklicher Kühe. Oder so, dies ist ein persönlicher Eindruck, der sicher etwas genauerer Betrachtung bedarf.

Wir sind immer mal wieder nach Gippsland oder durch Gippsland gefahren, und ich erinnere mich auch an viel Wald und an größere Landstriche, die von Waldbränden heimgesucht wurden. Davon blieb Gippsland den Sommer 2020/2021 weitgehend verschont. La Nina, ein Wasser- und Strömungsphänomen im südlichen Pazifischen Ozean, welches ab und an auftritt, ließ diesen Sommer regnerischer und kühler als gewöhnlich sein.

Bairnsdale, an einem Fluß gelegen, der Mitchell River heißt, ist ein Ackerstädtchen. In den 1860ern profitierte es von Goldfunden in der Umgebung, seitdem vorallem von der Besiedlung, um Ackerbau und Viehzucht zu betreiben. Am Fluß hängen Kolonien von Fledermäusen in den Bäumen, und die Stadt ist durch den nicht mehr genutzten Wasserturm, ein in den 1930ern gebautes Gericht  im Tudor-Stil und eine katholische Kirche geprägt.

Ich war doch verblüfft, als ich diese betrat. Von außen wirkt die Marienkirche in ihrem romanischen Stil schon etwas italienisch. Sie wurde 1913 eingeweiht. Natürlich findet man weder hier noch anderswo in Australien mittelalterliche Kirchen, sie sind alle “neo”. Trotzdem sieht das Innere der Kirche doch beeindruckend aus.

Francesco Floreani, geboren im Jahre 1899 in Udine, nahe Venedig, hatte in Turin Malerei studiert. Er verließ 1928 Italien, Frau und kleine Tochter, um in Australien sei Glück zu versuchen. Zunächst konnte er in Melbourne sein Geld mit der Malerei verdienen, die Weltwirtschaftskrise, die auch um Australiemn keinen Bogen machte, zog ihm aber den Boden unter den Füßen weg. Er zog aufs Land und fand zeitweise Beschäftigung als Erbsenpflücker.

Eines Tages, im Jahre 1931, machte er sich auf den Weg zur Marienkirche und klopfte an die Tür des Pfarrers, um Arbeit bittend. Vater Cremin gab ihm zwei Statuen, deren Bemalung gelitten hatten. Floreani reparierte sie zu seiner Zufriedenheit.

Der Pfarrer war von seiner Arbeit angetan, und ließ ihn drei Jahre lang das Innere des  Gebetshauses bemalen. Maria ist der Erinnerung an seine Frau entsprungen, seine kleine Tochter, die erst als Teenager nach Australien kam, ist ebenfalls zu finden, wie der Maler selbst, dert Pfarrer und einige der Schulkinder der Stadt, die den Engeln ihr Gesicht leihen. Drei jahre lang malte er, auf recht provisorischen Gerüsten, mit gefüllten Fässern als Basis. Im Jahre 1937 wurde die Kirche erweitert, und Francesco Floreani hatte neue Arbeit.

Ich hatte das Vergnügen, mir diese Geschichte von einer Angestellten der Kirche erzählen zu lassen, die mich auf diese oder jene Gestalt an Wand und Decke hinwies. Dann strömte eine größere Gruppe Neugieriger hinein und ich trat wieder auf die Straße hinaus, ließ Italien hinter mir und war wieder unter der heißen Sonne Australiens.