Ein wenig schmerzt noch immer der Verlust des Arthouse, an der Ecke Elizabeth und Queensberry, wo heute The Last Jar Irisches anbietet. Auch nicht schlecht, aber eben nicht das Farthouse, für jüngere und nicht so jüngere Freunde der lauten Musik, von Punk, Metal und Verwandtem, lange das Zuhause war.
Peter A., der alte Schwede, hat mir das Bendigo Hotel in Connlingwood empfohlen. Ein Blättern durch den Gig Guide des Beats führte mich heute dorthin.
Die Fahrt dorthin war schon die Reise wert, ein kälter werdender Frühlingsabend bescherte uns einen goldenen Sonnenuntergang. Noch heute fasziniert mich das mediterrane Licht und die klare Luft, die Melbourne oft glänzen läßt. Ein Regenguß kurz davor trug das seine dazu bei.
Im Bendigo begrüßte mich ein Türsteher, eine grungy Frontbar, Poster der bevorstehenden Konzerte, ein Foto des jungen Lemmy von Motorhead, diverse kleine Gruseligkeiten wie kahle Schädel, und ein Barmann, der mir die Pinte Bier (560ml) White Rabbit, lustigerweise ein dukles Bier, einschenkte, zum stolzen Preis von 12 Talern. Noch ohne Abendessen, bestellte ich Lammkeule, diese für nur 15 Dollar, für Melbourner Verhältnisse geradezu geschenkt. Als das Essen kam, war ich etwas überrascht, es kam im Pappbecher mit hölzernem Wegwerfbesteck. Damit Fleisch zu schneiden ist schwierig, so daß ich zur Handarbeit übergehe. Kein Spitzenessen, aber es füllt den Magen.
Meine Stimmung wird nicht nur durchs Mahl, sondern auch durch ururalte AC/DC-Songs gespeist, durchs “Dirty deeds done dirt cheap”-Album mit Bon Scott. Ab und an wird dies durch den Soundcheck aus dem Nachbarraum übertönt, und als die erste Band dann richtig loslegt, gehe ich hinein.
Der Raum ist dunkel und hat die gewisse Patina von hunderten bier- und musikgeschwängerten Abenden. Eine angestrahlte bleiche Gestalt erinnert mich an Dobbie aus den Harry-Potter-Filmen, der Menschen sind es nicht viele, die meisten Musiker und ihre Freundinnen und Freunde.
Zuerst spielen die Shitty Tatts, vier junge Männer, deutlich Melbourne. Rechts der Richmond-Supporter im gelb-schwarzen T-Shirt, offensichtlich immer noch den Meisterschaftsgewinn im Footy am letzten Wochenende feiernd, in der Mitte trägt der Gitarrist den Spruch “I love the smell of Napalm in the morning” aus Apocalypse Now. Sänger und Schlagzeuger tragen weniger auffällige Kleidung. Gespielt wird Punkiges, schnell, hart und melodiös, eine Erinnerung an 1980. Mir gefällts.
Danach kommen die Silverlight Shadows, ein klassisches Rock-Trio. Sie meistern diese Besetzung glänzend, heraus kommt dichter, präziser Rock, der Sound einer gutgeölten Kettensäge, Grunge, Stoner Rock? Irgendwie sowas, längere Passagen,die mehr durch konzentrierte Rhythmen denn durch Soli auffallen. Der Gesang ist gut, aber ein wenig zu wenig dominant für meinen Geschmack. Das war aber auch schon alles, was ich auszusetzen habe. Es war eine weitere Band, die die Reise wert war, der Abend hatte sich gelohnt.
Nun kam der Headliner, Monarchus. Ebenfalls ein Trio, die Gitarristin war auch zumeist die Sängerin. Vielleicht lag es an einsetzender Müdigkeit, aber so richtig war ich nicht zu begeistern. Ich weiß nicht, ob hier nicht auch ein Kräftemessen zu spüren war, Bassist und Schlagzeuger schienen mir die Frau an der Gitarre zu erdrücken. Ich hätte ihr mehr gegönnt, ihre Stimme erinnerte mich an Blondie, und sie hatte eine Hauptrolle verdient. Als ich das Lokal verließ und nach Hause radelte, hatte ich den Drive von Call Me im Kopf.
Soweit mein Abend im Bendigo Hotel. Ich kann den Laden besten Gewissens weiterempfehlen, wenn man auf erdigen Rock’n’Roll der nicht weichgespülten Art steht.
Dieser Bericht wurde absichtlich ohne Bild und Ton verfaßt. Erstens darf sich jeder vorstellen, wie es wohl aussehen mag, zweitens selbst nachgucken, und drittens mag ich oft keine Fotos machen, wenn ich Musik und Ambiente genieße. Das klingt zu sehr nach Arbeit..
Und dafür ist gute Musik dann doch zu schade!