Radeln – Plan A
Ich radele nun ja so ziemlich alltäglich – bin aber selten mit sportlich veranlagten Männern wie den Rushall Riders auf der Piste. Edgar hatte mich angesprochen, mit ihm waren auch Bernd und Polimin unterwegs.
Edgar hat eine Webseite eines supersportlich veranlagten Radsportlers aufgetan, der verschiedene Routen in der Melbourner Umgebung, in Victoria, vorschlägt: https://www.adventurecyclingvictoria.com .
Wir machen uns auf den Weg nach Lilydale, von da aus einen alten Bahndamm entlang nach Warburton, dann über die Berge und durch den Wald und schließlich hinunter nach Lake Eildon, von dort wieder nach oben und wieder hinunter, nach Bonnie Doon, der serenity wegen, und zum Abschluss wieder Bahndamm nach Tallarook.
Das ist der Plan.
Wobei, bei mir gibt es eine Abweichung: Ich mache mich einen Tag eher auf den Weg, von Warburton zurück in die Stadt und dann wieder hinaus. Warum?
Connor beendet sein Studium
Ich komme zurück nach Melbourne, um Connors Abschlußfeier beizuwohnen.
Vor einem Jahr saß Sarah mit 8 000 Student:innen auf dem Oval des Docklandstadions, dieses Mal war es Connor. Die Feier dauert ungefähr so lange wie ein Footy-Spiel. Sarah meinte, als sie in Berlin war: Letztes Jahr war Connor mit uns im Publikum und hielt es so lange aus – da werde ich da sein, wenn sein Abschluß gefeiert wird!
Ich war also auch da, Qian genauso wie Connors Freundin Julie. Wahrscheinlich waren mehr als 20 000 Gäste auf den Rängen. In der Mitte gab es Fahnenschwenken, die Student:innen des RMIT, des Royal Melbourne Institute of Technology, kommen aus allen Ecken der Welt. Es gab Ansprachen und es gab Musik, der Gaststar war G Flip. Rund um das Oval waren Bühnen für die Übergabe der Urkunden an die Student:innen gebaut, davor sassen die letzteren. Connors war Bühne T.. es gab wohl 25 Bühnen oder mehr.
Nach der Zeremonie gingen wir alle gemeinsam essen nach Chinatown. Schließlich entließen wir Connor und Julie und gingen nach Hause.
Nun haben wir keine Student:innen mehr in der Familie.
Zurück zum Radeln
Wo war ich noch stehengeblieben? Ach ja, Radeln. Ich machte mich einen Tag vor den anderen auf den Weg. Das Wetter war schön und ich musste nur mit mir selber kämpfen. Kein Problem! Meine sieben Sachen gepackt, Zelt, Schlafsack, Matratze und los. Den Zug brauch ich ohnehin, also schnell hinein nach Brighton, beim Fahrradladen zwei Schläuche kaufen – man weiß ja nie – und dann zurück zu Flinders Street und Lilydale.
Kleines Problem: Stromausfall, in Elsternwick ist Schluss mit der Bahn. Also, ein wenig radeln, Schläuche, und ich mache mich auf den Weg zurück in die Stadt. Ich beschließe am Strand entlang zu fahren, meinem alten Zuhause in Port Melbourne einen Besuch abzustatten, dem Station Pier, wo heute nicht mehr die Spirit of Tasmania festgemacht hat, sondern “nur” ein Frachter, der nach Tasmanien fährt, und ein süßes Backstückchen im Noisette zu essen sowie Kaffee zu trinken. Noisette war die erste Bäckerei, in der ich “richtiges” Brot, Sauerteig, nahe zuhause kaufen konnte.
Der Ausstieg in Lilydale war eine kleine Überraschung. Wo früher am Ende der Bahnlinie eine Schranke war, erhebt sich nun die Bahn und endet auf einem dieser quadratisch-praktischen Bahnhöfe, wie sie das Projekt der letzten Jahre, Schranken durch Brücken oder Untergrund zu ersetzen, die Bahn nach oben oder unten zu schicken, hervorgebracht hat.
Der Weg auf dem Bahndamm einer stillgelegten Bahnlinie nach Warburton ist vertraut. U.a. ist hier Sarah mal auf dem Schotter ausgerutscht, was keine schöne Erinnerung ist. Mir bleibt das erspart. Ein wenig hoch nach Mt.Evelyn, dort Mittag essen, dann geht es weiter durch die Natur. Der Weg geht durch das Yarra Valley, das Tal, durch das der Fluss fließt, der am Ende in Melbourne ankommt. Hier wurde viel Wald abgeholzt, die Stämme wurden teilweise mit Flößen den Yarra hinunter geschickt.
Ein Ort heißt Launching Path, das verrät, was hier vor sich ging. Aber vor allem die Bahn transportierte das Baumaterial in die Stadt, die seit dem Gold Rush, nachdem 1854 in Victoria, der Umgebung Melbournes, Gold gefunden wurde, rapid wuchs.
1885 machten sich drei Pastoren der Siebenten-Tag-Adventisten und ein erfahrener Drucker von San Francisco auf den Weg nach Sydney. 1889 wurde in Fitzroy North eine Druckerei gegründet, die recht erfolgreich war, wobei dabei, der Meinung der Kirche nach, das Religiöse zu kurz kam. Also wurde das Personal und Maschinerie mit Pferdewagen nach Warburton geschickt, um zu den geistlichen Wurzeln zurückzukehren. Eine Weile mussten die Angestellten in Zelten leben, bis für sie bessere Behausung gebaut wurde. Bis heute ist in Warburton die Signs Publishing Company zuhause, als auch der Kirche zugehörige Institutionen wie ein Kindergarten.
In Millsgrove habe ich vor dem General Store Sarsaparilla getrunken, am Abend bin ich hungrig. Mitten in der Woche ist vieles geschlossen, das Alpine Hotel ist offen, ein nicht billiges Restaurant. Die Bedienung ist jung und freundlich. Ich gehe satt und zufrieden ins Bett. Nun, ins Zelt.
Rad und Zelt lasse ich am nächsten Tag hier, mit Bus und Bahn geht es zu Connors Abschlussfeier. Währenddessen machen sich Polimin, Bernd und Edgar auf den Weg nach Warburton. Ich kehre dann den nächsten Morgen auch dorthin zurück. Nun geht es gemeinsam Richtung Lake Eildon.
An diesem Tag sind wir ca. 50 km unterwegs, auf Schotterwegen durch den Wald, oft bergauf. Ganz oben liegt ein verlassenes Dorf, Hier übernachten wir, ganz allein unter dem beeindruckenden Sternenhimmel des Südens, mit Milchstraße, Orion und Kreuz des Südens. Am Tag sehen wir sehr viel Grünes, Eukalypthen, Farnbäume und mehr.
Ein Schild warnt vor Frost, Eis und Schnee. Nun, heute ist Sommer, da sind wir davon weit entfernt.
Am nächsten Tag werden wir mit viel Hitze daran erinnert. Zunächst geht es hinunter zu Lake Eildon, einen Stausee zur Energiegewinnung. Von dort geht es nach einem Zwischenstopp in der Kneipe wider hinauf. 600 Meter Höhenunterschied auf 9 km, wenn ich mich recht entsinne. Zumindest ungefähr, wie wohl ungefähr 35 Grad oder mehr. Es bedurfte einer Weile, bis wir oben ankamen. Von dort ging es zu Bonnie Doon, der Serenity wegen, ein vom Familienvater in der Fernsehserie The Castle immer wieder benutztes Wort. Wir zelteten nahe des Ortes und erfreuten uns der Zivilisation, Pool und Dusche. Den Abend beendeten wir mit einem Lagerfeuer und Wein.
Dann ging es nach Hause. Von Bonni Doon bis Tallarook, nahe Seymour, gibt es wieder eine zum Radweg stillgelegte Bahnlinie. Gemessen an den Vortagen war es eine Spazierfahrt durch den Park. Mit dem Zug ging es dann nach Hause.
Sollte wiederholt werden, aber erst einmal ist Weihnachten.
Weihnachten und Jahreswechsel – auch 2024 wieder im Kalender
Wie es denn der Kalender so will, ist auch 2024 Ende Dezember Weihnachten.
Irgendwie war uns nicht besonders weihnachtlich zumute, denn zum einen ist downunder Sommer, und dann kamen wir zum Nikolaus aus China zurück. Davon etwas später mehr. Ach ja, wir sind ja auch nur noch zu zweit, die Kinder sind aus dem Haus. Auch fallen dieses Jahr Anrufe und Gespräche mit meinen Eltern weg. Nun ist es schon mehr als ein Jahr her, das beide nicht mehr da sind, ich bemerke doch immer wieder, dass sie mir fehlen.
Trotzdem hatten wir Besuch und gingen zu Freunden. Manche hatten wir länger nicht gesehen. Es wurde gegessen und getrunken. In der Familie wurden Geschenke ausgetauscht. Zum Naschen gab es auch was.
Und: Es ist Sommer!
Botanischer Garten von St.Kilda
(Sommer: Kein Footy)
In unserer Wohngegend sind viele jüdische Mitmenschen, deshalb ist auch Chanukka recht präsent. Wie auch im Alltag von St.Kilda jüdisches Leben zu finden ist, von den geschlossenen Geschäften am Samstag, am Sabbath, an dem dann Familien auf dem Wege zur Synagoge sind u.a. Leider hat es kürzlich in der nicht weit entfernten Adass Israel Synagogue einen Anschlag gegeben. Bis jetzt hält der Friede im wesentlichen, auch wenn der Nahost-Konflikt auch hier die Gemüter bewegt. Manches ist leider auch der altbekannte dumpfe Antisemitismus, der sich nicht ausrotten lässt, so scheint es.
Unser Weihnachten war Mitte Januar zu Ende – da bekamen wir endlich Dörtes Paket mit Räuchermännchen aus Seiffen. Ein schöner Abschluss!
Und wieder: Radeln – oder auch nicht
Die Glorreichen vier machten sich noch einmal auf den Weg. Dieses Mal sollte es von Bendigo auf einen Rundkurs nach Heathcote und zurück gehen.
Für mich war das fraglich: Ich hatte mir eine kräftige Erkältung zugezogen. Am Mittwoch fühlte ich mich einigermaßen fit, am Samstag ging es los. Also, wieder gepackt, Zelt. Schlafsack, Luftmatratze, zu essen, zu trinken etc. Um neun waren wir am Bahnhof. Wir kamen zu dritt nach Bendigo, Nr. Vier wollte in Footscray einsteigen, wurde aber von der Schaffnerin abgewunken: Kein Platz mehr für Räder. Wir warteten eine Stunde und aßen Pies. Schließlich ging es los.
Bei über dreißig Grad war das kein Zuckerschlecken. Schotterweg.. wenn es mal so wäre! Manchmal waren es blanke Steine, über die wir vorwiegend aufwärts holperten Nach gut fünf Kilometern erreichten wir eine Straße – und ich hatte genug. Meine Verfassung, so schien mir, war dem Abenteuer nicht gewachsen. Ich verabschiedete mich. Unter einem Sonnendach eines Kindergartens am Rande von Bendigo dachte ich ein paar Minuten nach und beschloß nach Hause zu fahren. Kurz danach saß ich im Zug zurück nach Melbourne.
Die drei Mitstreiter haben den ganzen Weg hinter sich gebracht. Es war aber wohl doch grenzwertig anstrengend..
Ich hatte den Sonntag wieder zuhause. Am Sonntagmorgen war ich mit Qian Bogenschießen. Wir hatten Glück: ein paar Minuten nach dem wir zusammengepackt hatten fing es an zu gießen. Wir haben in einem Cafe in Mentone Unterschlupf und Mittag gefunden. Hinterher war es ein paar Grad kühler und die Luft war wie frisch gewaschen.
Am Montag, den ich noch frei hatte, wollte ich in eine Sonderausstellung mit Werken der japanischen Künstlerin Yayoi Kusama in die Nationalgalerie gehen. Die war aber für den ganzen Tag ausgebucht. So begnügte ich mit den Impressionen im kostenfrei zugänglichen Bereich und der Dauerausstellung. Dieses Mal sah ich viele betuchte Häupter, männlich wie weiblich, katholisch, protestantisch, aus dem England des 17.Jahrhunderts. Ich muss gestehen, dass mir die Geschichte dieser bewegenden Zeit nur vage bekannt ist.
Ein Wochenende zuhause
Das nächste Wochenende wollte ich ganz ruhig zuhause verbringen. Am Freitagmorgen radelte ich mit Pete, der mich fragte, ob ich nicht am Samstagmorgen zu einer deutschsprachigen Runde in Mt.Albert im Osten der Stadt gehen wollte. Ich radelte dort hin, nach einer knappen Stunde war ich fast da, als ich mich eine aufgelöste Sarah erreichte, der ein Malheur mit einem Zahn passiert war und die sich Hilfe wünschte. Also, Bahn und Auto und dann zum Zahnarzt im Süden. Sarah bekam eine temporäre Krone und nun eine “richtige”. Das ist auch nicht ganz billig..
Nun, am Sonntag waren wir Bogenschießen und danach hatten wir Kids und Freundin zu Hause zum Kaffeetrinken. Oder Tee. Oder Brause.
Seitdem weiß ich, dass der vietnamesische Tierkreis statt des Hasen eine Katze hat.
Tja, und in gut einer Woche ist Neujahr nach dem Mondkalendar, welcher in China und Vietnam gilt. Davon sicher bald mehr!