Wir sind auf dem Weg durch das Reich der Mitte. Die erste Woche verbrachten wir in Shanghai und Hangzhou, zwei Großstädte mit 25 Millionen und 13 Millionen Einwohnern.
Shanghai Aunty, Qians Tante, lebt in Qibao. Es ist eine alte Stadt, deren Wurzeln bis ins 10.Jahrhundert zurückreichen und die ihren Namen dem Qibao-Tempel zu verdanken hat. Heute ist diese Stadt ein Stadtteil von Shanghai, eingebunden in das Metronetz, welches den gesamten Großraum von Shanghai bedeckt oder besser gesagt unterquert.
So machten auch wir hier unser Quartier. Schnell gewöhnten wir uns an die kleinen Wege durch die Gassen, die sich Fussgänger:innen und Mopeds teilen, Häuschen für Häuschen allerlei Kleingewerbe oder Kleinstgaststäten beherbergen. Alte Steinbögen überqueren die Wasserwege, und auf den größeren Straßen brummt der Verkehr. Wobei das mit dem Brummen nicht so voll ist – ein größerer Teil der Autoflotte ist elektrisch, wie auch die Mopeds, Busse und anderes Gerät auf Rädern. Einige Häuserzeilen sind renoviert, andere nicht, die kleinen weißen Häuser sehen dann nicht besonders elegant aus. Wenn aber abends die Laternen leuchten, sieht es schon schick aus. Vor unserem Hotel ist es abends recht laut, größere Gruppen junger Menschen essen und trinken neben dem Wasser bis spät in die warme Nacht, die Batterien großer 2/3-Liter-Flaschen Tsingtao-Bier weisen auf erheblichen Konsum hin. Am Morgen ist davon nicht viel zu sehen, eine Frau fegt kurz nach Sonnenaufgang die letzten Überreste hinweg.
Wir konnten gut schlafen, selbst die Flugzeuge störten uns nicht. Ich hatte in den ersten Tagen leider mit Schnupfen zu kämpfen. Ich hatte mich erkältet. Nicht wegen des Wetters – 25 Grad am Tag waren für mich sehr angenehm, sondern wegen den tiefgekühlten Innenräumen und besonders der Metro. Jetzt trage ich eine Kappe, um den Kopf warmzuhalten.
Am ersten Abend bewirtete uns Aunty mit Selbstgekochtem. Shanghai-Küche hat einen leichten Hang zum Süßlichen, es gab Fleisch, Pilze, Gemüse und Reis. Ich vermute, ich habe etwas vergessen. Wie üblich in China, standen die Gerichte in der Mitte und jeder bediente sich davon. Meine Tochter hat in einem chinesischen Restaurant in Berlin versucht, Verwandte davon zu überzeugen, war aber nicht erfolgreich: Jeder bestellte sein eigenes Gericht.
Mit ihr und ihrem Sohn waren wir auch in Zhujiajiao, einer alten Wsserstadt am heutigen Stadtrand von Shanghai. Auch wenn Aunty schon über achtzig ist, ist sie gut zu Fuß. Wir wanderten durch den gut 1700 Jahre alten Ort, über die Brücken und an den Kanälen. Auch waren wir auf einer kleinen Bootstour. Der Bootsmann ist von der Stadtverwaltung eingestellt.
Einen anderen Tag waren wir allein zu zweit in Shanghais Innenstadt unterwegs. Wir stiegen an einer Metrostation ein paar Kilometer vor dem Bund aus und machten uns auf die Wanderung dorthin. Mir gefällt es, dass trotz der Stadtdichte, der hohen Büro- und Wohnhäuser, immer wieder grün zu finden ist. Wir kamen auch durch Xintiandi, ein hippes Viertel, autofrei, zum Einkaufen, Essen und fürs Nachtleben. Die zwei- oder dreistöckigen Shikumen sind Terrassenhäuser aus dem 19.Jahrhundert, europäische Bauart mit chinesischer Färbung. Wir haben im Teatro gegessen, einem modernen italienischen Restaurant, sehr schmackhaft, aber auch zu
westlichen Preisen.
Schließlich gelangten wir zum Bund, die Promenade am Ufer des Huangpu. Auf der anderen Flußseite liegt Pudong mit dem Turm, den viele als Wahrzeichen von Shanghai kennen werden. An der Uferstraße, der Zhongshan-Straße, stehen die imposanten Häuser aus der Zeit des Vertragshafens, als nach den Opiumkriegen im 19.Jahrhundert
die westlichen Mächte sich einen vorteilhaften Handelszugang zu China verschafft hatten. Wir suchten das Hotel, in dem wir mit den Kindern 2012 gewohnt hatten, das gibt es heute aber nicht mehr. Die meisten der alten Hochhäuser am Bund gehören heute Banken – jemand anders kann sich da wohl nichts mehr leisten. Für Normalsterbliche it ausreichend gefüllten Geldbörsen gibt es die Nanjing Street, wo man Armani, Gucci, Luis Vitton und mehr findet, Wir sind dort durchgewandert, bis wir zur U-Bahn kamen, dann ging es nach Hause.
Den Tag darauf waren wir mit Aunty unterwegs: Wir waren am Yu Garten. Dieser hat seinen Ursprung im 16.Jahrhundert, während der Ming-Dynastie. Pan Yunduan ließ ihn für seinen Vater, den Minister Pan En, bauen, nachdem er ein Examen am kaiserlichen Hof nicht bestanden hatte. 1559 begann der Bau, wurde aber erheblich verzögert, da Yunduan als Gouverneur in die Sichuan-Provinz beordert wurde. Unter anderem ist in dem Garten der Yu Ling Long, der exquisite Jade-Stein zu sehen, ein mehrere Tonnen schwerer Stein, der so durchlöchert ist, dss, wenn man unten eine Räucherkerze ansteckt, es aus allen Poren raucht, wie es heißt. Einer nicht 100% bestätigter Sage nach sollte er nach Peking zum Kaiser, wurde hier aber aus dem Wasser gehievt, nachdem das Boot beim Transport versunken war.
Der Garten ist schön. Man solle sich nur nicht denken, dass man darinnen alleine ist.
Qians Tante lud uns in ein Teehaus ein, in dem verschiedenerlei Backwaren sehr schön dekorativ präsentiert wurden. Sie hatte ihre Hochzeit hier gefeiert, mit engsten Verwandten um einen Tisch, als auch die Goldene Hochzeit. Leider ist ihr Mann vor ein paar Jahren verstorben, ich erinnere mich noch an die beiden, als wir 2012, glaube ich, mit den Kindern hier waren. Er wie sie haben uns nett umsorgt.
Hier noch ein bisschen Alltag: So sieht Wäscheaufhängen in Shanghai aus. Ein schnuckliges Elektroauto – halb China ist inzwischen nicht mehr mit Benzinern unterwegs, aber nicht alle sind so süß klein. Der Green Party ist das Grün ausgegangen?
Nun zu unserem Ausflug nach Hangzhou: Wir fuhren Sonntagabend dorthin. Ein Blick aus dem Zug: Wo keine Häuser sind, sind Felder oder Wald oder Wasser. Im Yangtze-Delta ist Wasser nie weit.
Die Wahl des Gasthauses war etwas überraschend für mich: In der Mitte der Stadt, zwischen West- und Ostbahnhof, hatte Qian gesagt. Das mochte geografisch stimmen, Stadtmitte war es aber nicht: Unser Gasthaus war im Westlichen Sumpfland, einem Park mit vielerlei Wasservögeln und einem kleinen Dorf. Das haben wir zwar nicht besucht, wir waren aber morgens nahe des Parkeingangs unterwegs, sahen Frauen beim Tai-Chi zu und schauten ein wenig aufs Wasser.
Unser Schlaf war ruhig, die Abwesenheit von Feiernden oder Flugzeugen hat uns nicht gestört. Morgens zwitscherten stattdessen die Vögel.
Schließlich kamen Tetzi und Hua. Letztere fuhr das Auto, mit dem wir zum Essen an einem See fuhren. Welches sehr schmeckte, ausserdem freute ich mich, die beiden nach x Jahren wieder zu sehen. Danach gingen wir zum Nationalen Teemuseum. Tee spielt in China eine grosse Rolle. Für mich war es aber auch einfach schön im Grünem zu wandern. In Australiens Süden sind wir so ein knalliges saftiges Grün nicht gewohnt. Bei uns ist es eher trocken und gelblich, hier, in einer Landschaft, durch die sich viele Kanäle und Flüsse ziehen, bis hin zum Riesenfluß Yangtze, wächst und gedeiht es prächtig.
Später brachte uns Tetzi zur “Seidenstraße”, also ein paar Hundert Meter von Seidenkleidung vertreibenden Geschäften. Nun ja, unser Koffer hat nun auch ein wenig Seide geladen. Schließlich gelangten wir zum berühmten Westsee, an dem vielerlei Volk flanierte. Ist schon schön, gar keine Frage. Nicht nur wegen der Landschaft, den Pagoden und den Bergen, sondern auch der vorwiegend jugendlichen Menschen, die sich in traditionelle Kleidung gesteckt und geschminkt hatten. Dabei spielt das Geschlecht keine Rolle, wer sich nach Verkleiden sehnt, darf das tun.
Ein kurzes Abendessen im Einkaufszentrum mit Tetzi, danach war der Tag vorbei. Ich denke ernsthaft drüber nach, einmal für längere Zeit nach Hangzhou zu kommen.
Der nächste Tag galt der Rückkehr nach Shanghai und genauer Qibao, einem kurzen durch den Stadtteil streifen, ich fand Zeit, mir den bereits erwähnten Tempel anzuschauen.
Zu Abend aßen wir noch einmal mit Aunty und Cousin. Den Tag drauf sassen wir wieder im Zug, dieses Mal ein wenig länger fahrend, nach Wuhan.
Das letzte Bild von Qibao: Der Glockenturm in der Altstadt. Auf Wiedersehen!