Letzten Sonntag waren Qian und ich in Hastings. Ein wunderschöner Nachmittag, fand ich. Nach dem Bogenschießen fuhren wir dorthin und aßen in der Pelican Society am Segelhafen.Es ist Frühling, es blüht, wie hier z.B. ein bottle brush, ein Flaschenbürstenbaum, in dem sich oft bunte Papageien verstecken.
Qian übte im Orte ihre Fotografie. Sie lernt von einer Rentnerin aus Hongkong, die Klassen sind in kantonesisch. Ich machte mich auf, hinter der Bucht durch die Küstenlandschaft zu wandern. Das flache Wasser und das Ufer ist für hundert Meter und mehr ins Land hinein bewachsen, von Mangroven und Schilf. Dazwischen ziehen Enten und Schwäne ihre Bahn. Der Pfad ist zumeist ein Holzsteg, der auch mit dem Rad befahren kann. Wenn dies auch Australien ist, weit weg von der Ostsee, so kommt mir doch jede Küstenlandschaft vertraut vor. Der Charakter ist schon ähnlich – robuste Pflanzen, dem Wasser, Wind und Salz ausgesetzt.
Die Bucht heißt übrigens Western Port, auch wenn sie im Südosten der Stadt liegt. Hier ist mal ein Schiff aus Sydney kommend umgedreht, bevor Melbourne gegründet wurde.
Auf meinem Spaziergang kamen nur wenige Menschen entgegen, am Ende holten mich zwei junge Frauen ein. Sie boten mir an, mich auf dem Rückweg in den Ort mitzunehmen. Das Angebot nahm ich gern an, da ich seit zwei Stunden unterwegs war. Ich hatte mir Zeit genommen, was gut war. Ich brauchte es auch als Ablenkung vom Alltag.
Die letzten Wochen galten dem Umziehen und Ausziehen.
Sarah wohnt dieses Jahr in Berlin. nun zog auch Connor aus dem Haus, in die gemeinsame Wohnung mit Freundin. Sie haben nun ein kleines 2-Bett-Raum-Appartment in einem Hochhaus nahe der Innenstadt. Eine kleine Wohnküche, ein Schlafzimmer, in dem neben Einbauschrank eigentlich nur Platz für das Bett ist, ein weiteres, in dem zwei Tische stehen, für Spiel und Arbeit am Computer. Das war’s auch schon. Aber ich vermute, die jungen Leute sind darinnen glücklich. Hoffe ich zumindest. Connor kommt gleich zum Mittag vorbei.
Der Umzug war simpel, nicht ganz so einfach der unsere. Wir hatten einen 2-Jahres-Vertrag in einem recht großen Haus mit Garten. Es galt auszuziehen, da der Sohn des Eigentümers mit Familie dort einziehen möchte. Ursprünglich wollte dieser alles abreißen lassen, nun wird wohl doch ins alte Haus eingezogen. Hoffentlich bleibt vom Grün hinter dem Haus etwas übrig. Wir hatten hinterher etwas Beschwerde, weil es so unordentlich sei – vor allem die losen Blätter störten ihn. Die kommen u.a. von dem großen schönen weißrindigen Eukalyptusbaum, der vom Nachbar herüber ragt und er beschneiden möchte. Natur kann ganz schön stören.
Für uns hatte das Haus durchaus Schönes, auch wenn es im Schatten der Nachbarn, deren Haus höher gebaut wurde und uns so die Morgensonne nahm. So war es schon ein Eispalast. Wenn es draußen einstellig wurde, waren auch drinnen morgens nur knapp 10 Grad. Die dünnen Glasscheiben und kleine Undichten trugen auch dazu bei.
Wir hatten vor einiger Zeit eine Wohnung in deinem kleineren zweistöckigen Haus aus den 60ern erworben, in dem 14 Partien wohnen. Diese Erdgeschosswohnung ließen wir renovieren. Dazu kam die ganze Sowjetunion zusammen. Der Boss war aus Litauen, die Handwerker und Zuarbeiter Ukrainer und Russen.. hießen Wladimir und Iwan.
Fleißig wurde an dem Appartement gewerkelt. Wir ließen nichttragende Innenwände abreißen, neue Fenster – Doppelglas deutscher Herkunft – und Türen einbauen, eine neue Küche, neues Bad, neuer Holzfußboden – eine Menge neu, die Wohnung hatte einige Jahrzehnte ohne größere Beachtung hinter sich. Wir wollen diese Wohnung wirklich zu unserer umgestalten und darin hoffentlich noch mehr als nur ein paar Jahre gemeinsam verbringen.
Ich vermute, der neugestaltete Grundriss ist etwas ungewöhnlich. Nahe des Eingangs gab es ein kleines Zimmer, welches wir ganz entfernt haben. Die Küche war im Wohnzimmer – sie wurde in das Schlafzimmer nach hinten raus verlegt. So wurde aus einer 2-Schlafzimmer-Wohnung eine Keinschlafzimmerwohnung. Das Bett ist ein einer Nische und wird durch freistehenden Schirm oder Schiebetür verdeckt – das finden wir noch heraus. Dank des Quilts meiner Studienfreundin Elke sieht es auch offen hübsch aus. Ich habe vor Ewigkeiten zwei japanische Holzregale mit verglasten Schiebetüren erworben, Qian hat aus China unsere Sitzecke aus Holz mit Couchtisch organisiert, der ich Polsterkissen verpasst habe – das steht nun auf dem mittelbraunen Holzfußboden vor noch kahlen weißen Wänden. Ein guter Anfang, auch wenn es noch etwas möhlig ist.
Die Idee dieser Einrichtung kommt aus der Erfahrung, dass wir sehr häufig in der Küche “leben”. In der Vergangenheit hatte es aber auch mit der Heizung zu tun – im Winter war es in der Küche schnell warm zu kriegen, während es sich nicht wirklich lohnte, das große Wohnzimmer oder das ganze Haus zu heizen.
In der Wohnung brauchen wir derzeit keinen Heizer. Bei fünf Grad am Morgen waren es 18 Grad im Hause, bei 30 Grad draußen 22 drinnen. Wenn das so bleibt, bin ich zufrieden.
Die Küche, hier gezeigt als Suchbild mit Katze, hat die große Arbeitsplatte zum Fenster hin, was ich sehr schön finde.
Das große runde Loch ist nicht etwa ein Geschirrspüler – es ist die Waschmaschin. Das Bad ist nicht sehr groß. Aber…
der “Star” der Wohnung. Ich war ja der Meinung, warum der Aufwand, da ist man maximal eine halbe Stunde am Tag? Qian teilte diese Meinung gar nicht. Ich muss zugeben, die blauen Kacheln und die rahmenlose Dusche sehen gut aus. Bei letzterer hatte ich zum Anfang mulmige Gedanken – es sind praktisch zwei riesige acht Millimeter dicke Glasscheiben, ein paar Schrauben an einer Seite und Silikon auf der Erde.. nun, soll halten, sagte Richard, der es einbaute. Er sah übrigens etwa wie Bernd aus – und hatte genau wie dieser etwas Beruhigendes. “Mach Dir mal keine Sorgen. Das Glas ist 36-mal gehärtet, d.h. es hat die Stärke eines 30-Zentimeter-Glases. Und wenn es denn doch mal brechen sollte, zerfasert es in kleine runde Steinchen, wie eine Windschutzscheibe.” Na denn kann ja gar nichts mehr schief gehen..
Ein wenig muss ich noch selbst werkeln, auch kommt noch hier und da ein Handwerker für die letzten Handgriffe vorbei – es ist noch etwas unruhig. Aber das legt sich hoffentlich bald.
Ich hatte beruflich einigen Stress. Mein Team ist unterbemannt, und der/die/das nächste Audit rückt näher. Wir brauchen ordentliche Disaster Recovery, also, hüpf, Hase, hüpf! Tja, als Ossi habe ich gelernt, wie man aus Sch**** Bonbon macht, das war denn hier auch hilfreich. Die in unserer Internetpräsenz in Europa haben wir geschafft, einmal nach Deutschland, dann zurück nach Frankreich.
Jetzt muss ich das ganze auch noch in Australien durchexerzieren. Aber erst einmal habe ich in einen dieser Brocken noch 256 Gigabyte Speicher eingebaut, jetzt hat er einen Terabyte. Die ganze Aktion muss ich noch an zwei Rechnern wiederholen.
Diese beiden Dinge, neue Wohnung und Arbeit, haben mich die letzten zwei Monate ausreichend beschäftigt. Ich muss zugeben, manchen Abend kam mir mein Gehirn ziemlich gegrillt vor, für all zu viel anderes hatte ich keinen Nerv.
Am Freitagabend die Woche zuvor sind wir zu zweit zum irischen Filmfestival, eine Hommage an einen Pub in Dublin, der nach der Pandemie seine Pforten schloss, anzusehen. Diese Kneipe war über Jahrzehnte Heimstatt irischer Volksmusik, praktisch jeden Tag spielte jemand dort. Wir haben übrigens in Melbourne den irischen Pub The Drunken Poet, in dem auch so ziemlich jeden Abend was los ist, und viele andere Kneipen, in denen gespielt wird. Der irische Akzent im Dokumentarfilm ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, ich kann mich aber dran gewöhnen. Ich vermute öfter, dass unsere Aussies hier einen irischen Einschlag haben. Genetisch sowieso, von den ersten Gefangenen an kam irisches Blut nach Australien.
Mit Musikern, die nach Australien kommen, ist es ein wenig weniger geworden nach der Pandemie, glaube ich. So war es schön, einen Abend in der Innenstadt mit einer Band von hier, einer aus den USA und eine aus Sheffield in England zu hören. Letztere heißt Rolo Tomassi und macht laut Wikipedia Mathcore, was immer das heißt. Härteres Zeug, aber abwechslungsreich, mit Sängerin, die ebenfalls vielseitig ist. Fand ich toll. Ich stand wie üblich neben dem Mischpult, weil man dort gute Chancen hat, guten Sound zu erhaschen. Auch gibt es dort einen Geräuschpegelmesser, und der ging nur ab und an über 110 Dezibel hinweg. Ich konnte sogar nächsten Tag wieder was hören.
Apropos hören: Durch das Internet bin ich auf einen Musiker – genauer gesagt ein paar Musiker:innen – gestoßen, die eine meiner Meinung großartige Platte gemacht haben. Ich habe die Rohfassung hören können, was mir eine Freude war. Bei “Schall und Stille” gibt es bald was Neues – ich schreibe mehr, wenn es denn “draussen” ist. Ich vermute, es wird hier zu finden sein: https://schallundstille.bandcamp.com/
Zum Abschluß dieses Artikels noch ein paar Bilder aus Melbourne. Zunächst der Strand bei Sandringham und eine Wandmalerei dort am Transformatorhäuschen:
ein Foto aus dem Botanischen Garten von St.Kilda, wo ich gern ab und an wandere, auch wenn es nach dem Umzug ein paar Minuten weiter weg ist,
und zum Abschluß ein Blick vom Strand von Port Melbourne, wo wir bis vor zwei Jahren wohnten, auf den Hafen, das Webbs Dock.
Tja, da fallen mir meine Eltern ein, mit denen ich das Foto gern geteilt hätte. Oder telefoniert..
So bleibt es hier bei diesen Zeilen. Mit Gruß an alle Freunde, Verwandten und Bekannten, die dies hier lesen – bis bald hier und anderswo!